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Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...

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Ludwig Fischer Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir eigentlich gar nicht wollen<br />

rungsmittelerzeugung e<strong>in</strong>mal ganz abgesehen. Nur folgte aus der Selbstverpflichtung der Re‐<br />

gierung, handfeste Nachweise für diesen Ersatz von Erdöl, Erdgas, Kohle und Uranerz zu<br />

liefern, Nachweise, die wenigstens den Ansche<strong>in</strong> erwecken konnten, als ergäbe sich e<strong>in</strong> rele‐<br />

vanter Beitrag zu e<strong>in</strong>em energiepolitischen Umsteuern, e<strong>in</strong> so starker Zwang, dass man wider<br />

besseres Wissen an der eigentlich nicht zu verantwortenden Subventionspolitik festhielt.<br />

Also stellen wir nicht nur über die om<strong>in</strong>öse ‚unsichtbare Hand‘ des Marktes <strong>Landschaften</strong><br />

her, die wir eigentlich gar nicht wollen, sondern m<strong>in</strong>destens ebenso massiv über politische<br />

Imperative, bei denen wiederum die Auswirkungen auf die Landschaft als Lebenswelt ledig‐<br />

lich bedauerliche Nebeneffekte darstellen. Solche <strong>in</strong> Kauf genommenen Nebeneffekte s<strong>in</strong>d ja<br />

<strong>in</strong> den so genannten Drittwelt‐Ländern ungleich desaströser als <strong>in</strong> den meisten Industriestaa‐<br />

ten <strong>–</strong> von Kanada und Russland vielleicht abgesehen. Wenn man erwägt, was es an sogar glo‐<br />

bal zu Buche schlagenden Landschaftsveränderungen zeitigt, wenn <strong>in</strong> Afrika, Südamerika<br />

und Ostasien die Tropenwälder abgeholzt, wenn <strong>in</strong> Sibirien und H<strong>in</strong>ter<strong>in</strong>dien die Moore ab‐<br />

gebaut, wenn <strong>in</strong> Mittelasien die Baumwollsteppen angelegt werden, dann können e<strong>in</strong>em der<br />

Maisanbau <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> oder die Beseitigung Jahrhunderte alter Olivenha<strong>in</strong>e am Mittel‐<br />

meer be<strong>in</strong>ahe zu beklagenswerten, aber unbedeutenden Randersche<strong>in</strong>ungen werden.<br />

E<strong>in</strong> strukturell ähnliches Wirkungsgefüge lässt sich <strong>in</strong> vielen gesellschaftlichen Sektoren be‐<br />

obachten, nicht nur im Bereich der Energieversorgung. Die europäische Landwirtschaftspoli‐<br />

tik <strong>in</strong>sgesamt liefert Dutzende von Beispielen für die vielen verschiedenen Verkoppelungen,<br />

die zwischen staatlichen Steuerungsimpulsen und den ‚Marktgesetzen‘ hergestellt werden,<br />

häufig ohne dass die wahrsche<strong>in</strong>lichen Folgen von Subventionsmaßnahmen, steuerlichen Re‐<br />

gelungen oder Grenzmengendef<strong>in</strong>itionen auf e<strong>in</strong>em vorgeblich sich selbst regelnden Markt<br />

genauer betrachtet würden. Mögliche ‚Kollateralschäden‘ etwa für kulturelle Zusammenhän‐<br />

ge und historisch gewachsene Lebenswirklichkeiten abzuwägen, liegt jenseits des Interesses<br />

nicht bloß von zielstrebig operierenden Lobbyisten. Und so bleiben die Auswirkungen auch<br />

nur der politisch gesetzten Impulse auf die Kulturlandschaften vor allem der ländlichen Re‐<br />

gionen <strong>–</strong> trotz allen vollmundigen Deklarationen <strong>–</strong> e<strong>in</strong> nahezu irrelevanter Faktor. Land‐<br />

schaftsveränderungen muss man, das sei noch e<strong>in</strong>mal betont, <strong>in</strong> sehr großem Ausmaß als Ab‐<br />

fallprodukt aus e<strong>in</strong>em Gemenge von politischen Steuerungsversuchen und marktkonformen<br />

Handlungsmaximen betrachten. Kulturlandschaften entstehen zum<strong>in</strong>dest außerhalb der ur‐<br />

banen Zentren fast immer ‚nebenher‘, als nicht beabsichtigtes Ergebnis e<strong>in</strong>es Handelns, das<br />

aus e<strong>in</strong>er Kumulation zweckrationaler E<strong>in</strong>zelabsichten e<strong>in</strong>en ungewollten Gesamtzustand er‐<br />

zeugt. Am Klimawandel liest man derzeit diese zivilisatorische Wirklichkeitsherstellung am<br />

augenfälligsten ab. Man könnte sie ebenso an den Veränderungen der Kultur‐ wie der Natur‐<br />

landschaften studieren.<br />

Übrigens böten der Klimawandel wie gleichermaßen die Landschaftsveränderungen auch<br />

e<strong>in</strong>e sehr <strong>in</strong>struktive Gelegenheit, die Fiktionalität zu erörtern, die <strong>in</strong> unser neuzeitlich‐abend‐<br />

ländisches Naturverständnis e<strong>in</strong>gebaut ist: Wir trennen kategorial, bis <strong>in</strong> die Tiefen unserer<br />

Erkenntnistheorie, die zivilisatorische Kultur als Menschenwerk von e<strong>in</strong>er ‚für sich seienden<br />

Natur‘ und ihrem Wirkgefüge. Dass diese Trennung fiktiv ist, könnten wir nicht nur an jedem<br />

Nutztier und jeder Nutzpflanze wahrnehmen, mit denen wir umgehen. Wir halten aber eisern<br />

an der für unsre ‚westliche‘ Denkweise fundamentalen Gegenüberstellung fest <strong>–</strong> hie mensch‐<br />

liches Subjekt, dort natürliches Objekt; hie Aneignung e<strong>in</strong>er noch <strong>in</strong> den hoch entwickelten<br />

Lebewesen ‚re<strong>in</strong> gegenständlichen‘ Natur durch Arbeit, dort von uns def<strong>in</strong>itiv abgetrennte<br />

‚Eigentätigkeit‘ dieser Natur. Deshalb müssen wir unbeabsichtigte Resultate der faktischen,<br />

aber kategorial nicht zu fassenden Verschmelzung von menschlicher Tätigkeit mit Naturpro‐<br />

zessen <strong>in</strong> schlimmen Fällen als ‚Naturkatastrophen‘ verstehen, von Bergrutschen, Über‐<br />

schwemmungen und Wetterextremen bis zum Bienensterben oder dem unkontrollierbaren<br />

Auskreuzen von genmanipuliertem Raps. Wir wissen zwar, dass <strong>in</strong> viele solcher ‚Katastro‐<br />

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