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Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...

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<strong>Landschaften</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>2030</strong>: <strong>Erlittener</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>–</strong> <strong>gestalteter</strong> <strong>Wandel</strong><br />

‚Repower<strong>in</strong>g‘ mit den Generatoren der zweiten und dritten Generation die gestaffelten turm‐<br />

hohen Masch<strong>in</strong>en bis <strong>in</strong> <strong>–</strong>zig Kilometer Entfernung das Bild prägen. 5<br />

Auch die W<strong>in</strong>denergie‐Nutzung ‚boomt‘, immer noch, auch sie nahezu ausschließlich wegen<br />

der Impulse, die e<strong>in</strong>e gezielte und längere Zeit ziemlich freigiebige Subventionspolitik gesetzt<br />

hat. Erst sekundär haben dann die bekannten Marktmechanismen gegriffen: Investitionen <strong>in</strong><br />

Fonds und andere Anlageformen, aus denen die immer größeren und immer teureren Propel‐<br />

ler‐Generatoren f<strong>in</strong>anziert werden; e<strong>in</strong> stark expandierender Industriezweig, der <strong>–</strong> wie es sich<br />

gehört <strong>–</strong> e<strong>in</strong>e aufwändige Lobbypolitik betreibt; Spekulationen um Standorte <strong>in</strong> ‚höffigen‘<br />

Gebieten usw. Zwar haben sich Länder und Kommunen relativ früh um e<strong>in</strong>e strukturpoliti‐<br />

sche Steuerung für die Standortwahl bemüht, aber <strong>in</strong>zwischen werden auf dem Festland auch<br />

Bereiche freigegeben, die aus landschaftsästhetischen, kulturellen, <strong>in</strong>frastrukturellen und<br />

auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten ‚tabu‘ waren: Der gesamtpolitische Druck, den Anteil<br />

des aus W<strong>in</strong>denergie gewonnen Stroms an der Energieplatte zu steigern, ist so stark, das e<strong>in</strong><br />

‚Ausweichen‘ auf die W<strong>in</strong>dparks im Meer nicht ausreicht.<br />

Im Fall der W<strong>in</strong>denergie‐Nutzung s<strong>in</strong>d früh auch landschaftsästhetische Fragen mit bedacht<br />

worden, <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen <strong>–</strong> wie etwa für die Halb<strong>in</strong>sel Eiderstedt <strong>–</strong> haben sie nach e<strong>in</strong>em ersten<br />

‚Wildwuchs‘ dazu geführt, dass sozusagen Reservate def<strong>in</strong>iert wurden, größere Bereiche, die<br />

möglichst ke<strong>in</strong>e Standorte für W<strong>in</strong>dkraft‐Generatoren ausweisen. Strukturpolitisch s<strong>in</strong>d diese<br />

Reservate durchaus Naturschutzgebieten vergleichbar. Ihre Def<strong>in</strong>ition folgt der gleichen Lo‐<br />

gik: Sie mit der politischen Entscheidungsf<strong>in</strong>dung zu schützen, stellt nur gleichsam die Rück‐<br />

seite der maßgeblichen Zielsetzungen dar, aufgrund derer der größte Teil der überhaupt <strong>in</strong><br />

Frage kommenden Flächen für e<strong>in</strong>e nur zurückhaltend gelenkte Verwertung frei gegeben<br />

wird.<br />

Ich muss nicht ausführen, dass die adm<strong>in</strong>istrativ abgesegneten Standortentscheidungen bei<br />

W<strong>in</strong>dkraft‐Generatoren für die entstehende Formung der Landschaft nicht wirklich ‚greifen‘,<br />

weil die heute vorherrschende Größe der Masch<strong>in</strong>en optische Effekte auf bis zu zwanzig oder<br />

dreißig Kilometer Entfernung bewirkt. Politisch lassen sich solche Radien der visuell wahr‐<br />

nehmbaren Landschaftsveränderung überhaupt nicht mehr <strong>in</strong> Planungs‐ und Partizipations‐<br />

prozesse ‚übersetzen‘.<br />

Auch im Fall der W<strong>in</strong>denergie‐Nutzung entsteht <strong>–</strong> hier vorrangig auf das Landschaftsbild<br />

bezogen <strong>–</strong> e<strong>in</strong> landschaftlicher Effekt, der so von kaum jemand unter den Beteiligten gewollt<br />

ist. Ich kenne e<strong>in</strong> paar Freunde, die behaupten, sie fänden die mit W<strong>in</strong>dkraft‐Rotoren voll ge‐<br />

stellten Gegenden ‚schön‘, weil dort e<strong>in</strong>e ‚re<strong>in</strong> technische Ästhetik‘ den E<strong>in</strong>druck bestimme.<br />

Ich vermute, niemand von ihnen hat die Manifeste des Futurismus gelesen, <strong>in</strong> denen vor an‐<br />

nähernd e<strong>in</strong>hundert Jahren die <strong>in</strong>dustrielle Ästhetik der Apparate und Masch<strong>in</strong>en begeistert<br />

gefeiert wurde, als perspektivischer Ausdruck e<strong>in</strong>er glorreichen Zukunft. 6 Was uns diese Zu‐<br />

kunft, jenseits e<strong>in</strong>er Ästhetik der ‚Kraft und Beschleunigung‘, an lebenswerten Verhältnisses<br />

gebracht hat, steht uns drastisch vor Augen.<br />

Und die W<strong>in</strong>dkraft‐Nutzung gleicht auch dar<strong>in</strong> den meisten Sektoren unserer gesellschaftli‐<br />

chen Entwicklung, dass sie eben den leitenden Maximen folgt, die mit <strong>in</strong> die aktuelle ‚Krise‘ <strong>–</strong><br />

<strong>in</strong> diesem Fall der Perspektiven für die Energieversorgung <strong>–</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> geführt haben. Das kann<br />

und will ich hier nur andeuten. Mit am bedeutsamsten ersche<strong>in</strong>t mir die ‚Logik‘ e<strong>in</strong>er mög‐<br />

5 Siehe die <strong>in</strong>struktive Studie von Jürgen Hasse: Bildstörung. W<strong>in</strong>denergie und Landschaftsästhetik.<br />

Oldenburg: Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg 1999.<br />

6 Vgl. Umbro Appollonio (Hg.): Der Futurismus. Manifeste und Dokumente e<strong>in</strong>er künstlerischen<br />

Revolution 1909-1918. Köln: M DuMont Schauberg 1972.<br />

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