Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...
Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...
Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ludwig Fischer Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir eigentlich gar nicht wollen<br />
lichst zentralistisch organisierten Energieversorgung <strong>–</strong> zentralistisch von den Unternehmens‐<br />
strukturen bis zu den Anlagen für Energieerzeugung, die erfordern, Strom über sehr große<br />
Strecken zu transportieren. Die ‚Ballung‘ von Energieverbrauch im Zuge der Industrialisie‐<br />
rung <strong>in</strong> immer größeren E<strong>in</strong>heiten <strong>–</strong> Fabriken und andere Produktionsstätten, urbane Zen‐<br />
tren, <strong>in</strong>zwischen auch Dienstleistungsallokationen <strong>–</strong> sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e vom Grund her zentralisti‐<br />
sche Energieversorgung gebieterisch zu verlangen. Tendenziell folgt ihr auch noch die<br />
Nutzung regenerativer Energien, obwohl die ja gerade ‚flächig‘ zur Verfügung stehen.<br />
Die Folge, unter anderem für Überlegungen zur Zukunft der Landschaft, ist s<strong>in</strong>d dann Szena‐<br />
rien, die e<strong>in</strong>e sehr große Dom<strong>in</strong>anz technischer Anlagen für weite Teile der landschaftlichen<br />
Fläche prognostizieren: W<strong>in</strong>denergie‐Rotoren an den Küsten, im norddeutschen Flachland, <strong>in</strong><br />
den Mittelgebirgen, Wasserkraftwerke von Mittel‐ bis <strong>in</strong>s Hochgebirge, Solarkollektoren <strong>in</strong><br />
riesigen Anlagen nahezu überall, Stromleitungen kreuz und quer. Man muss nur die heute<br />
formulierten politische Eckdaten und die Extrapolationen des Energieverbrauchs hochrech‐<br />
nen. 7 Es sche<strong>in</strong>t für die Phantasie der politischen und technischen ‚Macher‘ ke<strong>in</strong>e realisierba‐<br />
ren Alternativen zu geben, e<strong>in</strong>e zentralistische Richtung <strong>in</strong> unserer technisch‐wissenschaft‐<br />
lichen, unserer sozialen und auch unserer kulturellen Gesamtentwicklung halten offenbar die<br />
meisten für völlig ‚alternativlos‘.<br />
Rudi Erlacher hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bedenkenswerten, aber auch sehr diskutablen Aufsatz mit dem<br />
Titel ‚Paradigmenwechsel im Naturschutz?‘ versucht, die wahrsche<strong>in</strong>lich entstehenden Aus‐<br />
wirkungen auf die Landschaftsformung zu erwägen. Er setzt, schematisch stark vere<strong>in</strong>fa‐<br />
chend, e<strong>in</strong>e „Natureroberung vom Typ A“ an, mit der die wissenschaftlich‐technisch operie‐<br />
renden Gesellschaften die absehbar bedrohlichen Effekte der anthropogen genutzten und<br />
bee<strong>in</strong>flussten Naturgegebenheiten erzeugt haben. 8 Das aktuell am meisten beachtete Ergebnis<br />
ist der bereits e<strong>in</strong>geleitete Klimawandel. Aber zu den deutlichen ‚Nebenwirkungen‘ gehört<br />
eben auch die hier betrachtete, unbeabsichtigte Landschaftsveränderung. Man kann ja den<br />
Klimawandel auch <strong>in</strong>terpretieren als e<strong>in</strong>e zumeist mittelbar bewirkte, globale Umgestaltung<br />
der <strong>Landschaften</strong> <strong>–</strong> nur wenige dürften ihre heute ablesbare Charakteristik unverändert be‐<br />
halten.<br />
Erlacher hält es nun für nahezu unausweichlich, dass die „Natureroberung vom Typ A“, die<br />
<strong>in</strong> die Krise geführt hat, politisch konterkariert werden muss durch e<strong>in</strong>e „Eroberung der Na‐<br />
tur vom Typ B“. 9 Diese „rettende“ Eroberung verlange e<strong>in</strong>e rigorose, aber ‚ökologisch ver‐<br />
trägliche‘ Nutzung natürlicher Ressourcen, damit „die dauerhafte Sicherung der Naturlei‐<br />
stungen zur Selbsterhaltung der Menschheit“ gewährleistet ist. 10 Wegen der absehbaren<br />
Entwicklungstendenzen <strong>–</strong> Bevölkerungswachstum, Ressourcenknappheit, zivilisatorische An‐<br />
sprüche usw. <strong>–</strong> werde e<strong>in</strong>e ‚ökologisch angepasste‘ Naturnutzung heute noch unvorstellbaren<br />
Ausmaßes notwendig. Das müsste dann auch die <strong>in</strong> vielen Gebieten nahezu flächendeckende,<br />
mit ‚verträglicher‘ Technik bewerkstelligte Überformung der Landschaft bedeuten. Zu folgern<br />
wäre, dass diese <strong>Landschaften</strong>, die aus der „Natureroberung vom Typ B“ resultieren, als<br />
landschaftliche Ersche<strong>in</strong>ung wiederum so nicht ‚gewollt‘ s<strong>in</strong>d, aber eben genau so unver‐<br />
meidlich ersche<strong>in</strong>en, wie die direkt zerstörerischen Landschaftse<strong>in</strong>griffe nach Typ A.<br />
7 Siehe etwa Rudi Erlacher: Paradigmenwechsel im Naturschutz? In: Vere<strong>in</strong> zum Schutz der Bergwelt<br />
(Hg.): Jahrbuch 2008. München: Vere<strong>in</strong> zum Schutz der Bergwelt 2008, S.185<strong>–</strong>216; hier<br />
S.187f.194f.<br />
8 Ebd., S. 193.<br />
9 Ebd.<br />
10 Ebd., S. 195.<br />
11