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Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...

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Ludwig Fischer Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir eigentlich gar nicht wollen<br />

Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir eigentlich<br />

gar nicht wollen<br />

Ludwig Fischer<br />

Der Titel des Referats stellt e<strong>in</strong>e Behauptung auf. Will ich als Redner ernst genommen wer‐<br />

den, muss ich diese Behauptung durch Belege zu stützen, durch nachvollziehbare Beobach‐<br />

tungen plausibel machen. Nichts leichter als das, so sche<strong>in</strong>t es. Jeden Tag bekommt man doch<br />

vor Augen geführt, dass <strong>in</strong> der Bundesrepublik, ja global durch das Planen und Handeln der<br />

Menschen <strong>Landschaften</strong> entstehen, die <strong>–</strong> <strong>in</strong> ihrer Verfassung als landschaftliche Ersche<strong>in</strong>ung<br />

und gestaltete Lebenswelt <strong>–</strong> kaum jemand der Beteiligten genau so gewollt hat.<br />

Schauen wir uns nur um. Ich fange mit dem an, was mir am nächsten ist. Ich sitze, während<br />

ich diesen Vortrag formuliere, an e<strong>in</strong>em Schreibtisch, der im ehemaligen Pferdestall e<strong>in</strong>es ur‐<br />

alten Bauernhauses steht, neben mir ragt e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g aus dem Holzfußboden, darauf erhebt<br />

sich e<strong>in</strong> Ständer, der mehrfach verwendet worden ist und im Lauf der Jahrhunderte so sehr<br />

vom Zahn der Zeit angenagt wurde, dass er mehr e<strong>in</strong>er Eichenholzskulptur gleicht als e<strong>in</strong>em<br />

Element des Hausgerüsts. Über den Bildschirm h<strong>in</strong>weg kann ich aus dem Fenster sehen.<br />

Durch die entlaubten alten Obstbäume erkenne ich das Feld, das sich neben der Hofzufahrt <strong>in</strong><br />

die noch relativ kle<strong>in</strong>teilige Kulturlandschaft erstreckt. Vor gut e<strong>in</strong>er Woche wurde der letzte<br />

Mais mit e<strong>in</strong>er riesigen Turbo‐Schneidemasch<strong>in</strong>e abgeerntet, auf mitfahrende Hänger gebla‐<br />

sen und von Treckern, die drei Meter hohe Reifen besitzen und als Gegengewicht zur Last des<br />

Hängers vorn Gusseisen von über 2000 Kilogramm vor sich her tragen, abtransportiert.<br />

Im Spätsommer ist <strong>in</strong>zwischen der Blick vom Hof <strong>in</strong> die durch Wegsäume, Waldstücke und<br />

E<strong>in</strong>zelbäume reich gegliederte Landschaft völlig verstellt von den weit über mannshohen<br />

Maiswänden. Bevor demnächst gepflügt wird, fährt e<strong>in</strong> etwa vierzig Tonnen schwerer Gül‐<br />

lewagen über die Felder, braune Pfützen stehen dann stellenweise tagelang <strong>in</strong> Furchen und<br />

Mulden. M<strong>in</strong>destens viermal <strong>in</strong> der Saison wird gespritzt, manchmal weht der W<strong>in</strong>d den<br />

Giftnebel über me<strong>in</strong>en Kräutergarten.<br />

Mit dem Bauern b<strong>in</strong> ich freundschaftlich vertraut. Er sagt: „Ach, dem Boden macht das alles<br />

nichts, Hauptsache, im W<strong>in</strong>ter friert es ordentlich, damit die oberen Schichten gut aufbre‐<br />

chen.“ Und wenn ich nachfrage, me<strong>in</strong>t er: „Tja, der Mais überall. Die Pachtpreise s<strong>in</strong>d ja kaum<br />

noch zu bezahlen. Und schön ist das ja auch nicht. Aber es geht halt nach den Verdienstmög‐<br />

lichkeiten, und seit wir hier <strong>in</strong> fast jedem Dorf Biogas‐Anlagen haben, ist der Mais nicht zu<br />

schlagen. Er wächst eben von allen <strong>in</strong> Frage kommenden Pflanzen am schnellsten.“<br />

Der größte Teil se<strong>in</strong>er Flächen, von der Zufahrtsstraße zu unserem Hof bis zum drei Kilometer<br />

entfernten übernächsten Dorf, s<strong>in</strong>d vor drei Jahren mit e<strong>in</strong>er schnellen Verfügung unter<br />

Landschaftsschutz gestellt worden. Es darf ke<strong>in</strong> Grünland mehr umgebrochen werden. E<strong>in</strong>er<br />

der großen Landwirte der Gegend <strong>–</strong> 700 Kühe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stall mit Karussell‐Melkstand, drei<br />

Melkschichten am Tag <strong>–</strong> hatte Weideland umgepflügt, e<strong>in</strong>en Meter tief, an e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />

Bach entlang bis direkt an die Grenze e<strong>in</strong>es Naturschutzareals. Maisanbau für e<strong>in</strong>e große Bio‐<br />

gas‐Anlage im Hauptort.<br />

E<strong>in</strong>e Szenerie, wie wir sie aus fast allen ländlichen Regionen nicht nur hierzulande kennen.<br />

Kaum e<strong>in</strong>er der Landwirte ist über das landschaftliche Bild, das der grassierende Maisanbau<br />

erzeugt, sonderlich begeistert. In den Tourismus‐Regionen wie etwa an der Nordseeküste<br />

s<strong>in</strong>d nicht nur die Naturschützer und die Urlaubsanbieter, sondern auch die Politiker ent‐<br />

setzt. Vielerorts weiß man sich nur so zu helfen, wie es hier bei uns geschehen ist: Verbote,<br />

Unterschutzstellungen, Aufkäufe.<br />

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