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Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...

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<strong>Landschaften</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>2030</strong>: <strong>Erlittener</strong> <strong>Wandel</strong> <strong>–</strong> <strong>gestalteter</strong> <strong>Wandel</strong><br />

Für den Naturschutz der uns vertrauten Art <strong>–</strong> und das ist Erlachers zentraler Diskussionsge‐<br />

genstand <strong>–</strong> könnte e<strong>in</strong>e solche Entwicklung bedeuten, dass die Def<strong>in</strong>ition klassischer Schutz‐<br />

ziele und die Legitimation klassischer Schutzgebiete obsolet würden: Die den Naturgegeben‐<br />

heiten ‚angepasste‘ Nutzung ließe auch im Naturverhältnis ke<strong>in</strong>en ‚Widerstand gegen die<br />

Naturzerstörung‘ mehr zu, wie ihn der etablierte Naturschutz aus den gesellschaftlichen Ver‐<br />

hältnissen heraus bislang begründen konnte. Denn der „Selbsterhaltungszwang“ hat ja dann<br />

‚verträgliche‘ Formen der Naturnutzung erbracht, die freilich die anthropogene Aneignung<br />

von Natürlichem viel weiter treiben als heute. E<strong>in</strong>e der Konsequenzen: „Das Rettende wird<br />

[...] bl<strong>in</strong>d se<strong>in</strong> für die Ästhetik der Naturen und <strong>Landschaften</strong>.“ 11 Für Erlacher bildet die ästhe‐<br />

tische Dimension landschaftlicher Ersche<strong>in</strong>ung bei der ‚erzwungenen‘ Umgestaltung der<br />

Landschaft, die <strong>–</strong> <strong>in</strong> anderer Weise als bei der „Natureroberung vom Typ A“ <strong>–</strong> denn doch<br />

auch nicht eigentlich gewollt se<strong>in</strong> kann, obwohl sie mit umfassender Planung bewerkstelligt<br />

wird, den Skopus se<strong>in</strong>er provokativen Erörterungen. Für mich wären weiter reichende Fragen<br />

der ermöglichten Naturerfahrung und des praktizierten Naturverhältnisses noch bedeutsa‐<br />

mer. Das Urteil über e<strong>in</strong>e unter bestimmten Voraussetzungen wahrsche<strong>in</strong>liche Überformung<br />

der <strong>Landschaften</strong> fiele aber ähnlich aus: Auch e<strong>in</strong>e ‚rettende‘ Veränderungen unseres Res‐<br />

sourcenverbrauchs und unserer Naturvernutzung könnte im großen Maßstab zu Landschaf‐<br />

ten führen, ‚die wir eigentlich nicht gewollt haben werden‘. 12 Der Zwang, sie zu erzeugen,<br />

entstünde dann nicht aus den unbeabsichtigten Effekten ökonomischer Logik und planeri‐<br />

scher Anpassungtätigkeit, sondern aus der Notwendigkeit, e<strong>in</strong>en Umgang mit den natürli‐<br />

chen Gegebenheiten zu erarbeiten, der den langfristigen Fortbestand der Gattung Mensch un‐<br />

ter neu zu def<strong>in</strong>ierenden zivilisatorischen Lebensbed<strong>in</strong>gungen sichert. E<strong>in</strong> Resultat des<br />

solchermaßen veränderten „Stoffwechsels des Menschen mit der Natur durch Arbeit“ könnte<br />

se<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em riesigen Ausmaß <strong>Landschaften</strong> planerisch hergestellt werden müssen, die<br />

so auch nicht dem Willen der Menschen entsprechen, zum Beispiel ihren Bedürfnissen nach<br />

s<strong>in</strong>nlicher Erfahrung an ‚sich selbst überlassener Natur‘ oder nach e<strong>in</strong>er auch leiblich wohltu‐<br />

enden Beheimatung. 13 Welchen geschichtsphilosophischen und ethischen Gehalt dann der<br />

Satz ‚Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir eigentlich nicht wollen‘ bekäme, müsste noch e<strong>in</strong>mal<br />

sehr genau bedacht werden.<br />

Zum Abschluss h<strong>in</strong> noch zwei Bemerkungen, die vielleicht die Perspektiven auf kommende<br />

Landschaftsveränderungen e<strong>in</strong> wenig öffnen: Szenarien, wie sie Erlacher <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Aufsatz<br />

skizziert, operieren entscheidend mit der Extrapolation aktueller Daten und Entwicklungsli‐<br />

nien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e mittlere Zukunftsentfernung. Zum Beispiel wird dabei die Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />

grundlegenden Veränderung kulturell leitender Bedürfnisse und Präferenzen für die Ener‐<br />

gienutzung nicht veranschlagt. Die Größenordnungen und vor allem die gesellschaftlichen<br />

Organisationsformen für Energieverbrauch werden von aktuellen Befunden, den offiziellen<br />

‚affirmativen‘ Hochrechnungen folgend, schlicht <strong>in</strong> die nächsten fünf, zehn oder zwanzig De‐<br />

11 Ebd., S. 196.<br />

12 Zur Bedeutung der grammatischen Form des Futur II für die Perspektivierung von Veränderungen<br />

vgl. die von Harald Welzer geleitete Stiftung ‚Futur Zwei‘ (www.futurzwei.org).<br />

13 Die Dimension des Leiblichen <strong>in</strong> der Begegnung mit dem natürlich Gegebenen fristet <strong>in</strong> der<br />

Landschafts- wie <strong>in</strong> der Naturtheorie immer noch e<strong>in</strong> Schattendase<strong>in</strong>, noch viel mehr <strong>in</strong> der<br />

Gesellschaftsanalytik und Geschichtsphilosophie, trotz den vielen Ansätzen von Norbert Elias‘<br />

Zivilisationsgeschichte bis zu Hermann Schmitz‘ Leibphilosophie. Zu neueren Beiträgen vgl. Gernot<br />

Böhme: Leibse<strong>in</strong> als Aufgabe. Leibphilosophie <strong>in</strong> pragmatischer H<strong>in</strong>sicht. Zug: Die graue Edition<br />

2003; Bernhard Waldenfels: Das leibliche Selbst. Vorlesungen zur Phänomenologie des Leibes.<br />

Frankfurt/M.: Suhrkamp 2000; Werner Kutschmann: Der Naturwissenschaftler und se<strong>in</strong> Körper.<br />

Frankfurt/M.: Suhrkamp 1986; Rudolf zur Lippe: Am eigenen Leibe. Zur Ökonomie des Lebens.<br />

Frankfurt/M.: Syndikat 1978.<br />

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