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Landschaften in Deutschland 2030 Erlittener Wandel – gestalteter ...

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Ludwig Fischer Wir machen <strong>Landschaften</strong>, die wir eigentlich gar nicht wollen<br />

zennien verlängert <strong>–</strong> mit der Folge, dass für diese Zukünfte gigantische Energiequanten anzu‐<br />

setzen s<strong>in</strong>d, die dann ‚verträglich‘ beschafft werden müssen. Entsprechend ließe sich zum<br />

Beispiel bei den Prognosen für die Landnutzung zur Lebensmittelerzeugung verfahren, wie‐<br />

derum mit Schlussfolgerungen für die Landschaftsgestaltung <strong>–</strong> bis h<strong>in</strong> etwa zu ‚Urban Far‐<br />

m<strong>in</strong>g‘ als Bestandteil der Planung von ‚Mega‐Cities‘, wie es bereits entworfen wird. 14 Solange<br />

die Determ<strong>in</strong>anten aus der uns vertrauten zivilisatorischen Lebensweise mehr oder weniger<br />

unverändert fortgeschrieben werden, fallen die Szenarien <strong>in</strong> der Tat beängstigend aus.<br />

Die eigentliche Herausforderung für derartige Szenarien 15 besteht aber dar<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en grundle‐<br />

genden kulturellen <strong>Wandel</strong>, das heißt: e<strong>in</strong>e existenzielle Veränderung unserer Lebensweisen<br />

denken zu können <strong>–</strong> und zwar e<strong>in</strong>e Veränderung, die nicht dem unabweisbaren Diktat zum<br />

Verzicht aufruht, sondern die auch dort ‚Gew<strong>in</strong>ne an Lebensqualität‘ konkret erfahrbar wer‐<br />

den lässt, wo faktisch Reduktion nach den Maßstäben unseres gegenwärtig vorherrschenden,<br />

westlichen Lebensstandards statthat. 16 Ich stimme dem Sozialpsychologen Harald Welzer, der<br />

gerade <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Stiftung ‚Futur Zwei‘ gründet, dar<strong>in</strong> zu, dass die ‚Narrative‘ von sol‐<br />

chen utopisch ersche<strong>in</strong>enden Transformationen unserer Lebensweise dr<strong>in</strong>gend gebraucht<br />

werden, damit wir uns von deprimierenden Zukunftsvisionen e<strong>in</strong>er unabsehbar verlängerten<br />

Logik der <strong>in</strong> diesem unserem historischen Augenblick gültigen wirtschaftlichen, sozialen und<br />

kulturellen Maximen frei machen können. Solange wir nach dem Muster verfahren, die ‚mo‐<br />

ralisch bessere, naturverträglichere, gerechtere‘ usw. optimierte Variante derjenigen Hand‐<br />

lungsimperative und Bedürfnislagen, die uns <strong>in</strong> die Krise h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> geführt haben, würde uns<br />

aus ihr heraus zu schreiten ermöglichen, werden wir vermutlich, immer tiefer <strong>in</strong> die Dilem‐<br />

mata geratend, uns als jene Psychotiker betätigen, als die uns Angehörige anderer Kulturen<br />

betrachten.<br />

Wie soll man sich aber solche kulturellen Veränderungen, die e<strong>in</strong>e andere ‚Nachhaltigkeit‘ als<br />

die bisher propagierte ergäben, denn vorstellen? Was könnte man zum Beispiel mit Blick auf<br />

menschliche Tätigkeiten <strong>in</strong> und mit <strong>Landschaften</strong> an ‚Visionen‘ zu erzählen sich erlauben? Ich<br />

werde mich hüten, jetzt derlei zu liefern zu wollen <strong>–</strong> wissenschaftliche Diskurse bieten dafür<br />

kaum e<strong>in</strong>en Ort. Nur e<strong>in</strong> klitzekle<strong>in</strong>er, freihändiger Gedanke: Zu e<strong>in</strong>em veränderten Natur‐<br />

verhältnis dürfte mit Sicherheit auch e<strong>in</strong>e ganze andere Vorstellung und Erfahrung davon<br />

gehören, wie wir die Resultate menschlicher Arbeit <strong>in</strong> die natürlich Prozesse zurückführen <strong>–</strong><br />

dass wir alles und jedes, ob gewollt oder ungewollt, zurückführen müssen, ist uns eigentlich<br />

längst klar: „In der Natur geht nichts verloren.“ Unsere derzeit vorherrschende Recycl<strong>in</strong>g‐<br />

Mentalität wird uns dabei vermutlich überhaupt nicht helfen <strong>–</strong> so, als g<strong>in</strong>ge es nur um e<strong>in</strong>e<br />

‚Wiederverwertung‘ von Verbrauchtem für neuerlich menschliche Zwecke, der nicht ver‐<br />

wertbare Rest muss dann ‚entsorgt‘ werden. Was aber ‚Entsorgung‘ im H<strong>in</strong>blick auf unser<br />

Naturverhältnis heißt, können e<strong>in</strong>en nicht nur die Müllhalden und die Meeresschlämme und<br />

die Abraumberge lehren, sondern viel drastischer solche Erf<strong>in</strong>dungen wie das Frack<strong>in</strong>g von<br />

CO2.<br />

14 Dazu Friedrich von Borries: Zehn Thesen für die Stadt von morgen. In: Harald Welzer/Klaus<br />

Wiegandt (Hg.): Perspektiven e<strong>in</strong>er nachhaltigen Entwicklung. Frankfurt/M.: S. Fischer 2011,<br />

S. 40<strong>–</strong>63.<br />

15 Die etablierten Formen von ‚wissenschaftlich fundierten‘ Szenarien werden vermutlich bei der auch<br />

parktisch werdenden Entwicklung von Zukunftsvorstellungen eher h<strong>in</strong>derlich se<strong>in</strong>. Sie werden vom<br />

‚Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsdiktat‘ regiert, nicht von der Verständigung über Bedürfnisse und ethische<br />

Imperative. S. John L. Casti: Szenarien der Zukunft. Was Wissenschaftlewr über die Zukunft<br />

wissen können. Stuttgart: Klett-Cotta 1990.<br />

16 Vgl. Harald Welzer/Klaus Leggewie: Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Frankfurt/M.:<br />

S. Fischer 2009.<br />

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