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Werkzeuge des Friedens und der Gerechtigkeit - OFM

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■ Individuelle <strong>und</strong> kollektive Menschenrechte<br />

verweigert worden sind. In enger Nachahmung <strong>der</strong><br />

tiefen Liebe <strong>des</strong> Franziskus zur gesamten Schöpfung,<br />

von Bru<strong>der</strong> Sonne bis zu Schwester Ameise,<br />

sollen die Brü<strong>der</strong> dazu beitragen, Ehrfurcht vor<br />

Mutter Natur zu entwickeln, damit sie das Wohlergehen<br />

aller Menschen zu sichern vermag (GG.CC.<br />

69-71).<br />

In <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne verging viel Zeit, bis die Kirche<br />

wie<strong>der</strong> einen Dialog mit <strong>der</strong> Welt begann. Enzykliken,<br />

soziale <strong>und</strong> politische Botschaften von Leo<br />

XIII., Pius XI. <strong>und</strong> Pius XII. sind bekannt. Doch<br />

erst mit Johannes XXIII. griff das Lehramt die Menschenrechte<br />

explizit auf, in Verbindung mit an<strong>der</strong>en<br />

damit zusammenhängenden Rechten <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten,<br />

<strong>und</strong> stellte sie in den Kontext <strong>des</strong><br />

Evangelium <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sendung <strong>der</strong> Christen auf<br />

<strong>der</strong> Erde (PACEM IN TERRIS, 1963). Das Zweite<br />

Vatikanische Konzil fügte zwei bedeutende Dokumente<br />

hinzu: Die Kirche in <strong>der</strong> Welt von heute<br />

(„GAUDIUM ET SPES“) <strong>und</strong> die ERKLÄRUNG ÜBER<br />

DIE RELIGIONSFREIHEIT („DIGNITATIS HUMANAE“).<br />

Paul VI. <strong>und</strong> Johannes Paul II. führten diese Entwicklung<br />

weiter in Antwort auf neue Probleme <strong>der</strong><br />

heutigen Welt. Trotz großen Wi<strong>der</strong>stands wurden<br />

die Menschenrechte ein integraler Bestandteil<br />

<strong>der</strong> Soziallehre <strong>der</strong> Kirche wie auch <strong>der</strong> Praxis vieler<br />

katholischer Laien.<br />

Heutzutage werden abstrakte Namen wie Kapitalismus,<br />

Neoliberalismus, Entwicklung <strong>und</strong> Globalisierung<br />

verwendet, um die weiter wachsende Kluft in<br />

Wissen, Macht, Gütern <strong>und</strong> Besitz zwischen reichen<br />

<strong>und</strong> armen Nationen, zwischen Nord <strong>und</strong> Süd<br />

zu verschleiern. Ein Gemeinschaftsbewusstsein <strong>und</strong><br />

Gespür für Solidarität ist schwach entwickelt. Die<br />

Brü<strong>der</strong> <strong>des</strong> Franziskus von Assisi können nicht warten,<br />

bis das über die Menschenrechte Geschriebene<br />

tot ist <strong>und</strong> seine Opfer nur weiter ausgegrenzt sind.<br />

Der hl. Franziskus warnte, dass die Diener Gottes<br />

über die Ungerechtigkeit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en nicht betrübt<br />

o<strong>der</strong> verärgert sein, son<strong>der</strong>n dass sie sich in Solidarität<br />

auf die Seite <strong>der</strong> Schwachen <strong>und</strong> Armen stellen<br />

sollten, damit diese eine menschliche Stellung in<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft gewännen. Zwei Jahrtausende<br />

Evangelisierung bezeugen, wie langsam dieses Ferment<br />

die menschlichen Massen durchdringt. Die<br />

Verwirklichung <strong>der</strong> Menschenrechte erfor<strong>der</strong>t<br />

Geduld <strong>und</strong> Durchhaltevermögen. Auschwitz,<br />

Hiroshima <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gulag bleiben Zeichen, dass die<br />

Straße zu ihrer Realisierung we<strong>der</strong> breit noch<br />

eben ist. Jene, die bis zum Ende standhaft bleiben,<br />

werden gerettet (vgl. Mk 13,13).<br />

Gemäß dem Modell <strong>des</strong> Franziskus leben die<br />

Brü<strong>der</strong> nicht für sich, son<strong>der</strong>n für an<strong>der</strong>e innerhalb<br />

<strong>und</strong> außerhalb <strong>der</strong> institutionellen Kirche. In diesem<br />

Leben <strong>des</strong> Dienstes ohne Grenzen, helfen uns<br />

die Menschenrechte, die menschlichen Bedürfnisse<br />

in den Gesichtern <strong>der</strong> Armen <strong>und</strong> leidenden Menschen<br />

zu entdecken. Für jene, die sich dem Evangelium<br />

verpflichten, ist die vorrangige Option für<br />

die Armen nicht eine Verzierung, son<strong>der</strong>n eine<br />

Verpflichtung. Das Kriterium <strong>des</strong> letzten Gerichts<br />

über die Menschheit ist unsere Solidarität mit den<br />

geringsten unserer Brü<strong>der</strong> <strong>und</strong> Schwestern. Je<strong>des</strong><br />

Mal, wenn du den geringsten meiner Schwestern<br />

<strong>und</strong> Brü<strong>der</strong>, den Kleinen, Armen, Verlassenen,<br />

Kranken, an den Rand Gedrängten <strong>und</strong> aus <strong>der</strong><br />

Gesellschaft Ausgeschlossenen Gutes getan hast,<br />

hast du es mir getan (vgl. Mt 25,31-46). Wo Menschenrechte<br />

verletzt werden, zeigt sich Sünde in<br />

ihrer ganzen Bösartigkeit. Doch die Gnade Gottes<br />

wird noch überfließen<strong>der</strong> sein durch die vermittelnde<br />

Hingabe <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> (vgl. Röm 5,20).<br />

Das Eintreten in die Sphäre <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

zugunsten <strong>der</strong> Armen, Misshandelten <strong>und</strong> Marginalisierten<br />

zu lernen ist nicht leicht. Franziskaner sind<br />

nicht gewohnt, ohne Unterkunft, Arbeit, Nahrung,<br />

Dienstleistungen, Schule <strong>und</strong> Geld zu sein. Auch<br />

wenn es gegen unseren Willen sein mag, erwarten<br />

wir leicht Privilegien, Geld für unsere Arbeit, wohlwollende<br />

Hilfe <strong>und</strong> soziale Unterstützung im Fall<br />

eines Gerichtsprozesses o<strong>der</strong> eines Gefängnisaufenthalts,<br />

die sich aus den Kämpfen ergeben können,<br />

an denen wir auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Armen teilnehmen.<br />

In Län<strong>der</strong>n mit wenigen Priestern sind viele Franziskaner<br />

durch die Amtsaufgaben in <strong>der</strong> kleinen Welt<br />

<strong>der</strong> örtlichen Pfarrei absorbiert. Um Solidarität mit<br />

den sozialen Klassen zu entwickeln, die an den<br />

Rän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gesellschaft leben, muss <strong>der</strong> Komfort<br />

<strong>der</strong> Mittelklasse durchbrochen werden, die an den<br />

Türen unserer Konvente lebt.<br />

Die franziskanische Mentalität, die „außer unsere<br />

Laster <strong>und</strong> Sünden“ nichts ihr Eigentum nennen<br />

will (NbReg 17,7), öffnet die Tür für die gewöhnliche<br />

Arbeit in Welt <strong>und</strong> Kirche, in Zusammenarbeit<br />

mit lokalen Bewegungen, Nichtregierungs-<br />

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