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Werkzeuge des Friedens und der Gerechtigkeit - OFM

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■ Franziskanische Präsenz in <strong>der</strong> Welt<br />

natürlich, aber auch jene mit an<strong>der</strong>en Männern <strong>und</strong><br />

Frauen, denen sie begegneten – <strong>und</strong> ganz beson<strong>der</strong>s<br />

mit den Ärmsten, den Geringsten. Keiner von<br />

ihnen durfte ein Herrscheramt ausüben (NbReg<br />

5,9). „Niemals dürfen wir uns danach sehnen, über<br />

an<strong>der</strong>en zu stehen“, sagte Franziskus, „son<strong>der</strong>n<br />

müssen vielmehr die Knechte <strong>und</strong> Untergebenen<br />

sein …“ (BrGl II, 47). Aus verschiedenen sozialen<br />

Schichten stammend, lernten die Brü<strong>der</strong>, mit<br />

gegenseitigem Respekt vor ihren Verschiedenheiten<br />

miteinan<strong>der</strong> zu leben. Eine solche Gemeinschaft<br />

hatte nichts mit Zwang zu tun. Für Franziskus war<br />

je<strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> ein individuelles Wesen, eine einzigartige<br />

Persönlichkeit. Geschwisterlichkeit konnte nur<br />

auf <strong>der</strong> Ehrfurcht vor Personen errichtet werden. Es<br />

war immer das Willkommen eines „Du“ in eine<br />

Atmosphäre <strong>des</strong> „Wir“.<br />

Wir können uns heute nicht vorstellen, wie revolutionär<br />

ein solches Projekt zu jener Zeit war. Wir<br />

müssen uns in Erinnerung rufen, dass die Kirche als<br />

ganze eine „Herrenkirche“ war: Der Bischof an <strong>der</strong><br />

Spitze einer Diözese <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abt als Haupt eines<br />

Klosters waren wirkliche Feudalherren mit weltlicher<br />

Macht, die sich gelegentlich über ganze<br />

Regionen erstreckte. In diesem Kontext waren die<br />

zahlreichen franziskanischen Gemeinschaften, die<br />

überall in ganz Europa entstanden, wie ein frischer<br />

Wind. Sie waren eine neue Präsenz <strong>der</strong> Kirche in<br />

<strong>der</strong> Welt; eine Präsenz, die eine geschwisterliche<br />

Gemeinschaft schuf, in <strong>der</strong> die Unbedeutendsten<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft ihre Würde <strong>und</strong> ihren Platz wie<strong>der</strong><br />

entdeckten.<br />

Die universale Dimension<br />

<strong>der</strong> Menschheit<br />

Aber <strong>der</strong> Blick <strong>des</strong> Franziskus blieb nicht bei <strong>der</strong><br />

Christenheit stehen. Er sah viel weiter. Er wollte die<br />

ganze Menschheit zu einer weltweiten Gemeinschaft<br />

vereinigen. Zu jener Zeit war die Welt in zwei<br />

Blöcke geteilt: die westliche Christenheit auf <strong>der</strong><br />

einen Seite <strong>und</strong> <strong>der</strong> Islam auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n. Zwischen<br />

diesen beiden Blöcken herrschte Krieg, heiliger<br />

Krieg; es gab Kreuzzüge. Franziskus konnte diese<br />

Spaltung nicht zulassen. Er plante, zwischen den<br />

beiden Blöcken eine Brücke zu bauen. Die Zeit war<br />

nicht günstig für ein solches Unternehmen. Der<br />

fünfte Kreuzzug erreichte gerade seinen Höhepunkt.<br />

War das alles? Franziskus beschloss, zum<br />

Sultan von Ägypten zu reisen. Ein verrückter<br />

Traum. Und unglaublicherweise wurde Franziskus<br />

inmitten eines Kreuzzuges vom Sultan Al-Malik<br />

al-Kamil, dem Oberhaupt <strong>der</strong> Muslime, mit großer<br />

Höflichkeit empfangen. Die zwei Männer zeigten<br />

sich gegenseitig Respekt <strong>und</strong> Wertschätzung. Hätte<br />

man mehr erwarten können? Es war schon sehr viel.<br />

Sehr viel, aber zugleich nicht genug. Die <strong>Friedens</strong>mission<br />

<strong>des</strong> Armen von Assisi war an ihre Grenzen<br />

gestoßen.<br />

Die Erfahrung von Grenzen<br />

<strong>und</strong> von Abgründen<br />

Noch eine weitere Grenze sollte er zu spüren<br />

bekommen. Und diesmal innerhalb seines eigenen<br />

Ordens. Diese Grenze wird Franziskus schmerzlich<br />

<strong>und</strong> tief verw<strong>und</strong>en. Wir müssen ihm durch diese<br />

Prüfung hindurch folgen, durch die seine Gegenwart<br />

vor Gott <strong>und</strong> den Menschen zu einer neuen<br />

Tiefe gereinigt werden sollte. Daraus sollte ein neuer<br />

Mensch geboren werden, einer <strong>der</strong> stärksten <strong>und</strong><br />

wahrhaftigsten <strong>der</strong> menschlichen Geschichte.<br />

Tatsächlich war es nicht genug, Geschwisterlichkeit<br />

unter allen Wesen anzustreben, um die „Einheit <strong>der</strong><br />

Schöpfung“ zu finden. Franziskus musste lernen,<br />

diese Geschwisterlichkeit mit einem befriedeten<br />

Herzen zu ersehnen, einem Herzen, das sich durch<br />

nichts beunruhigen lässt. Kurz, mit dem Herzen<br />

eines Armen. Es war nicht genug zu lieben; er<br />

musste lernen arm zu sein, sogar in <strong>der</strong> Liebe.<br />

Das war die schwerste, aber auch die wichtigste<br />

Lernerfahrung. Der Wunsch, um jeden Preis Erfolg<br />

zu haben, ist selten mehr als Egoismus <strong>und</strong> Selbstliebe,<br />

auch wenn dies dem Zweck dient, Menschen<br />

zusammenzubringen. Dieser Wunsch erzeugt oft<br />

nur neue Ausgrenzung. Darum schwächt er das<br />

Leben eher als ihm zu dienen. An<strong>der</strong>erseits kann<br />

Leben hervorsprudeln, sich ausbreiten <strong>und</strong> in aller<br />

Freiheit schöpferisch sein, wo es frei ist von<br />

Selbstliebe.<br />

In den SCHRIFTEN <strong>des</strong> Franziskus sehen wir die<br />

Beharrlichkeit, mit <strong>der</strong> er gegen Erregung, Verärgerung<br />

<strong>und</strong> Zorn als den Haupthin<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong> Lie-<br />

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