Werkzeuge des Friedens und der Gerechtigkeit - OFM
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■ Option für die Armen<br />
<strong>der</strong> geringeren Brü<strong>der</strong> – auf dass sie jedem untertan<br />
sein sollten (1 Cel 38).<br />
Option für die Armen<br />
Durch die Jahrh<strong>und</strong>erte waren Franziskaner herausgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich die Worte <strong>des</strong> Franziskus zu eigen<br />
zu machen: „Regel <strong>und</strong> Leben <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>en Brü<strong>der</strong><br />
ist dieses, nämlich unseres Herrn Jesu Christi heiliges<br />
Evangelium zu beobachten durch ein Leben in<br />
Gehorsam, ohne Eigentum <strong>und</strong> in Keuschheit“<br />
(BReg 1,1). Während je<strong>des</strong> Gelübde seine beson<strong>der</strong>en<br />
Schwierigkeiten bereitete, ist es unzweifelhaft<br />
sicher, dass die Armut die größte Anzahl an Debatten<br />
<strong>und</strong> die schärfsten Polemiken hervorgerufen<br />
hat. Über die Jahre hat sich die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
auf die Frage konzentriert, ob es möglich ist o<strong>der</strong><br />
nicht, die radikale Armut Jesu Christi zu leben, wie<br />
sie Franziskus <strong>und</strong> seine ersten Jünger gelebt hatten.<br />
Die intellektuelle Diskussion schenkte <strong>der</strong> konkreten<br />
Situation <strong>der</strong> Armen wenig Aufmerksamkeit,<br />
weil dieses Problem nicht als wesentlich für die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
angesehen wurde.<br />
Gegenwärtige Entwicklungen haben es jedoch<br />
lebenswichtig gemacht, die Armen in die Reflexion<br />
über die Bedeutung <strong>des</strong> Gelüb<strong>des</strong> <strong>der</strong> Armut miteinzuschließen.<br />
Der beständige Schrei aus <strong>der</strong> Dritten<br />
Welt, <strong>der</strong> für verschiedene Dokumente <strong>des</strong><br />
Zweiten Vatikanischen Konzils <strong>und</strong> einige päpstliche<br />
Erklärungen als Katalysator diente, macht uns<br />
die entmenschlichende Armut bewusst, die für die<br />
Situation so vieler unserer Brü<strong>der</strong> <strong>und</strong> Schwestern<br />
auf <strong>der</strong> Welt kennzeichnend ist. Der Orden <strong>der</strong><br />
Min<strong>der</strong>brü<strong>der</strong> ist durch diesen Aufschrei bewegt<br />
worden <strong>und</strong> befindet sich gegenwärtig in einem<br />
Prozess, sein Leben <strong>und</strong> seine Sendung vom Standpunkt<br />
<strong>der</strong> Geringsten <strong>des</strong> Volkes Gottes aus neu<br />
zu bestimmen.<br />
In den 1987 promulgierten Generalkonstitutionen<br />
hebt <strong>der</strong> Orden die Notwendigkeit hervor, die<br />
Armen zu einem integralen Teil unseres Lebens <strong>und</strong><br />
unserer Arbeit zu machen. Artikel 66,1 sagt: „Um<br />
dem Erlöser in <strong>der</strong> Selbstentäußerung nachdrücklicher<br />
zu folgen <strong>und</strong> sie deutlicher vor Augen zu<br />
führen, sollen die Brü<strong>der</strong> das Leben <strong>und</strong> den Stand<br />
<strong>der</strong> kleinen Leute in <strong>der</strong> Gesellschaft teilen <strong>und</strong><br />
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stets als die Min<strong>der</strong>en unter ihnen sein; durch diese<br />
soziale Haltung arbeiten sie am Kommen <strong>des</strong> Gottesreiches<br />
mit.“ Artikel 78,1 stellt fest: „Die Brü<strong>der</strong><br />
haben von <strong>der</strong> Regel her die Freiheit, ihre Arbeiten<br />
zu wählen. Sie sollen jedoch nach Zeit, Gegend <strong>und</strong><br />
Dringlichkeit solche bevorzugen, bei denen das<br />
Zeugnis <strong>des</strong> franziskanischen Lebens stärker aufleuchtet;<br />
<strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s sollen sie Arbeiten suchen,<br />
bei denen die Solidarität mit den Armen <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Dienst an ihnen zutage treten.“ Artikel 97,1 u. 2<br />
bekräftigt: „Franziskus wurde vom Herrn unter die<br />
Aussätzigen geführt; wie er sollen die Brü<strong>der</strong> zusammen<br />
<strong>und</strong> einzeln die Option für die an den Rand<br />
Gedrängten leben, für die Armen <strong>und</strong> Unterdrückten,<br />
Entwürdigten <strong>und</strong> Kranken, in Freude unter<br />
ihnen leben <strong>und</strong> ihnen Barmherzigkeit erweisen. In<br />
brü<strong>der</strong>licher Gemeinschaft mit allen kleinen Leuten<br />
<strong>der</strong> Erde <strong>und</strong> mit Blick auf die heutigen Folgen <strong>der</strong><br />
Armutssituation sollen die Brü<strong>der</strong> daran arbeiten,<br />
dass die Armen selbst sich ihrer eigenen menschlichen<br />
Würde voll bewusst werden, sie hüten <strong>und</strong><br />
mehren.“ An vielen an<strong>der</strong>en Stellen for<strong>der</strong>n die<br />
Konstitutionen die Brü<strong>der</strong> auf, sich <strong>der</strong> Armen<br />
bewusst zu sein <strong>und</strong> sie bei <strong>der</strong> Ausarbeitung unseres<br />
gemeinsamen Lebens miteinzuschließen. In <strong>der</strong><br />
zeitgenössischen Terminologie wird dieser Einschluss<br />
<strong>der</strong> Armen als „vorrangige Option für die<br />
Armen“ bezeichnet. Was bedeutet diese „Option“,<br />
die für die franziskanische Lebensform so zentral<br />
geworden ist?<br />
In THE NEW DICTIONARY OF CATHOLIC SOCIAL<br />
THOUGHT (Liturgical Press, 1994) behandelt<br />
Donal Dorr das Thema „vorrangige Option für<br />
die Armen“. Er erklärt, dass eine solche Option<br />
ein Engagement ist, das gegen „Ungerechtigkeit,<br />
Unterdrückung, Ausbeutung <strong>und</strong> Ausgrenzung von<br />
Menschen, die beinahe jeden Aspekt öffentlichen<br />
Lebens durchdringen, Wi<strong>der</strong>stand leistet. Es ist ein<br />
Engagement, das die Gesellschaft in einen Ort verwandeln<br />
will, an dem die Menschenrechte <strong>und</strong> die<br />
Würde aller geachtet werden.“ Sie wird im Allgemeinen<br />
von denen vollzogen, die nicht arm sind<br />
<strong>und</strong> die sich ihres relativen Wohlstands <strong>und</strong> Prestiges<br />
bewusst geworden sind. Sie entscheiden, letztlich<br />
einen Teil dieses Wohlstands o<strong>der</strong> Prestiges<br />
aufzugeben <strong>und</strong> sich mit den Unterprivilegierten<br />
zu identifizieren. Eine solche Wahl basiert oft auf<br />
einem tieferen Verständnis <strong>des</strong> christlichen Glaubens.<br />
Sie schließt eine politische Dimension mit