Werkzeuge des Friedens und der Gerechtigkeit - OFM
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■ Option für die Armen<br />
Vorzug für die Ärmsten <strong>der</strong> Armen, die Aussätzigen.<br />
Leonardo Boff vertritt in seinem Buch ZÄRTLICH-<br />
KEIT UND KRAFT. FRANZ VON ASSISI, MIT DEN<br />
AUGEN DER ARMEN GESEHEN (Düsseldorf 1983) die<br />
Auffassung, dass die erste Bekehrung <strong>des</strong> Heiligen<br />
den Armen galt, den von <strong>der</strong> Gesellschaft Gekreuzigten,<br />
<strong>und</strong> dann später dem gekreuzigten Jesus<br />
Christus. An verschiedenen Stellen seiner Lebensbeschreibungen<br />
bezeugt Thomas von Celano das<br />
Mitgefühl <strong>des</strong> Franziskus für die Armen <strong>und</strong> seine<br />
zärtliche Sorge für die Aussätzigen; Celano fügt<br />
hinzu, dass die ersten Brü<strong>der</strong> in die Fußstapfen ihres<br />
Grün<strong>der</strong>s traten. Der Weg <strong>des</strong> Franziskus ließ ihn<br />
die feudalen Strukturen auf zweifache Weise herausfor<strong>der</strong>n.<br />
Zunächst lehnte er es ab, den Wohlstand<br />
<strong>und</strong> das Privileg anzunehmen, das verb<strong>und</strong>en war<br />
mit <strong>der</strong> Zugehörigkeit zu den maiores. Statt<strong>des</strong>sen<br />
teilte er das Los <strong>der</strong> Armen, die gehasst <strong>und</strong> unterdrückt<br />
waren, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Aussätzigen, die durch die<br />
Gesellschaft verabscheut, ausgegrenzt <strong>und</strong> dann<br />
übersehen wurden. Franziskus schaute auf den<br />
Armen nicht vom Standpunkt <strong>des</strong> Reichen aus,<br />
son<strong>der</strong>n durch die Augen <strong>des</strong> Armen selbst. Dies<br />
ermöglichte ihm, den Wert <strong>des</strong> Armen zu entdecken.<br />
In seiner Auffassung gemeinschaftlichen<br />
Lebens versuchte er die feudale Hierarchie dadurch<br />
zu brechen, dass er alle Mitglie<strong>der</strong> als „Brü<strong>der</strong>“<br />
behandelte. In 2 Cel 191 verdeutlichte Franziskus,<br />
dass er in seiner Gruppe MAIORES <strong>und</strong> MINORES,<br />
Weise <strong>und</strong> Einfache vereinen wollte. Sein Stil war<br />
nicht theoretisch, son<strong>der</strong>n einfühlend, <strong>und</strong> er<br />
drückte seinen Wi<strong>der</strong>stand gegen die Aufteilung<br />
in Klassen darin aus, dass er alle seine Jünger zu<br />
„Brü<strong>der</strong>n“ auf gleicher Ebene machte.<br />
Wie Fortini <strong>und</strong> Boff deutlich machen, war die<br />
Option <strong>des</strong> Franziskus für die „MINORES“ seiner<br />
Zeit nicht eine Option für die MINORES, die eine<br />
neue soziale Gruppe bildeten. Die MINORES umfassten,<br />
wie oben angemerkt, Kaufleute, Handwerker<br />
<strong>und</strong> Feldarbeiter. Als soziale Klasse waren sie<br />
genau so begierig wie die maiores darauf, Reichtum<br />
anzuhäufen <strong>und</strong> auf Macht, die <strong>der</strong> Reichtum mit<br />
sich bringt. Fortini rät im 8. Kapitel seines Buches<br />
zur Vorsicht bei <strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> Beziehung<br />
zwischen <strong>der</strong> franziskanischen Bewegung <strong>und</strong> dem<br />
wachsenden Interesse an <strong>der</strong> Gründung eines<br />
Gemeinwesens in Assisi. Bei <strong>der</strong> Kommentierung<br />
<strong>des</strong> Sozialpaktes von 1210, <strong>der</strong> Jahre <strong>der</strong> Feindschaft<br />
zwischen den unterschiedlichen Klassen<br />
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Assisi beendete, behauptet Fortini erstens, dass er<br />
nicht das Ergebnis <strong>des</strong> Geistes <strong>der</strong> Harmonie sei,<br />
den Franziskus <strong>und</strong> seine ersten Jünger inspiriert<br />
hätten, son<strong>der</strong>n dass er vielmehr davon bestimmt<br />
war, die Macht <strong>des</strong> Gemeinwesens anwachsen zu<br />
lassen. Zweitens stellt er fest, dass es falsch sei, die<br />
franziskanische Bewegung als Ergebnis <strong>des</strong> Aufstands<br />
<strong>der</strong> MINORES anzusehen. Vielmehr: „Die<br />
neue bürgerliche Gesellschaft entsprang ... dem<br />
Wunsch nach kommerzieller Expansion. Im Krieg<br />
sieht sie das Mittel, dies zu erreichen. Dabei stehen<br />
sich <strong>der</strong> Stolz <strong>der</strong> Kaufleute <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stolz <strong>der</strong> Feudalherren<br />
gegenüber. Sie gründet ihre hauptsächliche<br />
soziale Kraft auf Wohlstand <strong>und</strong> Gewerbe. Sie<br />
sanktioniert die Rache gegen die, die sie beleidigen.<br />
Sie war grausam im Verteilen von Strafen. Diese<br />
Gesellschaft von habgierigen, gewalttätigen,<br />
streitsüchtigen, ehrgeizigen <strong>und</strong> brutalen Menschen<br />
war die vollkommene Antithese zur franziskanischen<br />
Bewegung, wie Franziskus die Antithese <strong>des</strong><br />
Pietro Bernadone war.“ Die Verwendung <strong>des</strong> Ausdrucks<br />
MINORES zur Beschreibung seiner Brü<strong>der</strong><br />
durch Franziskus leitete sich nicht ab von dem<br />
Namen einer Klasse o<strong>der</strong> Fraktion, son<strong>der</strong>n kam<br />
vielmehr von dem Adjektiv her, das die „niedrigsten,<br />
die untersten, jene, die Befehle entgegennehmen<br />
anstatt sie zu geben“ bezeichnete. Boff fügt<br />
hinzu, dass Franziskus entschied, seine soziale<br />
Klasse zu wechseln, indem er aus <strong>der</strong> Position eines<br />
reichen Bürgers sich dahin bewegte, mit den Armen<br />
<strong>und</strong> wie ein Armer zu leben.<br />
Franziskaner <strong>und</strong> <strong>der</strong> erneute Ruf<br />
zur Option für die Armen<br />
Schon zu Lebzeiten <strong>des</strong> Franziskus war es in <strong>der</strong><br />
Frage <strong>der</strong> Armut zum Streit unter den Brü<strong>der</strong>n<br />
gekommen. Es überrascht daher nicht, dass nur<br />
dreißig Jahre nach dem Tod <strong>des</strong> Franziskus, als<br />
Bonaventura zum Generalminister <strong>des</strong> Ordens<br />
gewählt worden war, dieser bald in den Streit hineingezogen<br />
wurde <strong>und</strong> es für notwendig fand, die<br />
Tugend zu verteidigen, die seinem geistlichen Vater<br />
so sehr am Herzen gelegen hatte. In seinem ersten<br />
R<strong>und</strong>brief rief Bonaventura die Brü<strong>der</strong> zur Pflicht:<br />
„Brü<strong>der</strong> sind zu eifrig, das Feld <strong>der</strong> Bestattungen<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Erbschaften zu betreten. Die Häuser <strong>der</strong><br />
Brü<strong>der</strong> sind häufig <strong>und</strong> mit großem Aufwand