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Werkzeuge des Friedens und der Gerechtigkeit - OFM

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■ Option für die Armen<br />

ein, da Einzelne dazu kommen, die Ungleichheiten<br />

in <strong>der</strong> Gesellschaft zu sehen, <strong>und</strong> dafür optieren,<br />

sich auf die Seite <strong>der</strong> relativ Machtlosen zu stellen.<br />

Wenn die Brü<strong>der</strong> einmal sehen, dass diese Option<br />

für jene getroffen wurde, die relativ machtlos sind,<br />

dann ist es nur ein kleiner Schritt, diese Option<br />

auf jene auszuweiten, die im wörtlichen Sinn die<br />

„Armen“ sind, d.h. die ökonomisch Benachteiligten,<br />

bis zu all jenen hin, die f<strong>und</strong>amentaler politischer,<br />

kultureller o<strong>der</strong> religiöser Rechte beraubt<br />

sind. In diese Definition können wir Frauen, Opfer<br />

rassistischer Diskriminierung <strong>und</strong> all diejenigen,<br />

die unter struktureller Ungerechtigkeit leiden,<br />

einschließen.<br />

Dorr unterstreicht, dass Individuen, die diese Option<br />

für die Armen treffen, aus Mitgefühl heraus so<br />

handeln. Dies erfor<strong>der</strong>t vor allem die Haltung <strong>der</strong><br />

Solidarität mit den Armen in ihren Leiden. Praktisch<br />

hat es mit unserem Lebensstil zu tun: „Die Art<br />

<strong>der</strong> Nahrung, die wir essen, die Kleidung, die wir<br />

tragen, die Weise, wie unsere Häuser ausgestattet<br />

sind“. Aber noch bedeutsamer berührt es die Fragen<br />

<strong>des</strong> „Bereichs, in dem wir leben, <strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>schaften,<br />

die wir pflegen, die Art <strong>der</strong> Arbeit, die wir ausüben,<br />

<strong>und</strong> die Haltungen <strong>und</strong> den Stil, den wir<br />

beim Tun all dieser Dinge an den Tag legen.“ Mitgefühl<br />

for<strong>der</strong>t aber auch das Engagement zu einem<br />

Handeln, das strukturelle Ungerechtigkeit zu überwinden<br />

versucht. Wirksames Handeln schließt die<br />

sorgfältige Analyse <strong>der</strong> Situation mit ein, ein bewusstes<br />

Abstandnehmen von denen, die für die Ungerechtigkeit<br />

verantwortlich sind, sowie ein geplantes<br />

<strong>und</strong> gemeinschaftliches Handeln auf politischer<br />

Ebene, um die Ungerechtigkeit zu überwinden <strong>und</strong><br />

dann realistische Alternativen zu erarbeiten.<br />

Schließlich muss beim Prozess <strong>der</strong> Option für die<br />

Armen große Sorgfalt darauf verwendet werden,<br />

dass die Armen nicht zu Objekten unseres Handelns<br />

werden, gleich mit welchen guten Absichten<br />

dies geschieht. Es ist <strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong> Armen; sie<br />

müssen die Subjekte dieses Kampfes sein. Unsere<br />

Rolle wird immer in Bezug auf diese zentrale Wirklichkeit<br />

zu definieren sein.<br />

Franziskus als Modell<br />

Franziskaner sind immer zu Franziskus als Quelle<br />

<strong>der</strong> Inspiration <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erneuerung zurückgekehrt.<br />

Wenn wir versuchen, die „Option für die Armen“<br />

in unsere Auffassung von Leben <strong>und</strong> Dienst zu integrieren,<br />

dann stellt sich die Frage, ob Franziskus als<br />

Modell für unsere Suche dienen kann? Die Antwort<br />

lautet: Ja <strong>und</strong> Nein.<br />

Arnaldo Fortini stellt in seinem Buch FRANCIS OF<br />

ASSISI (Crossroad, 1992) sorgfältig bis ins Detail<br />

die soziale Struktur <strong>der</strong> Welt <strong>des</strong> Franziskus dar.<br />

Die Ära war von einem monumentalen Wandel<br />

betroffen. Die feudalen Strukturen wurden langsam<br />

von denen <strong>des</strong> beginnenden Kapitalismus verdrängt.<br />

Feudalismus war gekennzeichnet durch die<br />

maiores <strong>und</strong> die minores, die Größeren <strong>und</strong> die<br />

Kleineren. Diese lateinischen Ausdrücke wurden<br />

verwendet, um Macht, Kraft, Würde <strong>und</strong> die Autorität<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

zu messen <strong>und</strong> zu klassifizieren. Die Feudalherren<br />

herrschten durch Lan<strong>der</strong>werb, <strong>und</strong> die Bildung<br />

großen Gr<strong>und</strong>besitzes bedeutete, dass die meisten<br />

Menschen in sklavische Abhängigkeit vom Land<br />

gerieten. Doch mit <strong>der</strong> wachsenden Bedeutung <strong>der</strong><br />

Städte <strong>und</strong> <strong>des</strong> Handels wie auch <strong>des</strong> unerbittlichen<br />

Wachstums <strong>der</strong> Geldwirtschaft wurden die Feudalherren<br />

zunehmend beunruhigt über das Aufsteigen<br />

<strong>der</strong> MINORES, die Kaufleute, Handwerker <strong>und</strong> Feldarbeiter<br />

umfassten. Diese niedrigeren Klassen leisteten<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen die von den MAIORES erhobenen<br />

Zölle <strong>und</strong> gegen das verhasste System <strong>der</strong><br />

Zwangsarbeit. Franziskus gehörte zu einer wohlhabenden<br />

Mittelklassefamilie Assisis, die ihr Vermögen<br />

dem Klei<strong>der</strong>handel verdankte. In seiner Jugend<br />

beteiligte sich Franziskus an dem sozialen Aufstand<br />

seiner Zeit. 1198 erlebte Franziskus im Alter von<br />

sechzehn Jahren den Fall <strong>der</strong> Rocca Maggiore, <strong>der</strong><br />

Burg, die den Feudalismus in Assisi symbolisierte.<br />

Das folgende Jahrzehnt war von Blutvergießen <strong>und</strong><br />

Gewalt geprägt, als die MAIORES darum kämpften,<br />

ihre Herrschaft trotz wachsend schwieriger Umstände<br />

zu sichern.<br />

Zu jener Zeit vernahm Franziskus den Ruf Gottes,<br />

dem wahren Herrn zu folgen. Als er versuchte zu<br />

entdecken, was Gott von ihm wollte, zeigte Franziskus,<br />

<strong>und</strong> darin stimmen alle Biographen überein,<br />

eine beson<strong>der</strong>e Zärtlichkeit für die Armen, mit dem<br />

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