25.02.2013 Aufrufe

ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS

ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS

ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20 | WISSENSCHAFT(EN) IM 19. JAHRH<strong>UND</strong>ERT<br />

Psychischem und Materiellem, von wissenschaftlicher Wahrheit und gesellschaftlicher Moral. Und es ging auch um<br />

eine gewonnene politische Dimension, die Gefahr lief, wieder zunichte gemacht zu werden. Dieses „wir werden es<br />

nie wissen“ trug einen Zweifel am deutschen Volk und seinen wissenschaftlichen Fähigkeiten in sich und damit griff<br />

es das doch erst gerade errungene Gefühl von erstarkender Macht und Selbstgewissheit an. Der bohrende Zweifel<br />

gewann Raum, dass die Entwicklungsfähigkeit des menschlichen Verstandes begrenzt war, was Zöllners eigener<br />

Grundüberzeugung widersprach.<br />

Du Bois-Reymond hatte die Saat des Selbstzweifels und die des Zweifels an der Allmacht des Fortschritts ausgeworfen<br />

und sie war auf fruchtbaren Boden gefallen, was die enorme Abwehrhaltung und die kritische Resonanz<br />

bezeugen.<br />

Weil der heftigste Angriff von einem zu diesem Zeitpunkt noch sehr angesehenen Wissenschaftler geführt wurde<br />

und sich gegen die innovativen und neuen Wege richtete, die aus der Berliner Gruppe von Wissenschaftlern der<br />

neuen Physik, Chemie und Physiologie stammten, deren Wortführer du Bois-Reymond ohne Zweifel war, war der<br />

öffentliche Skandal unvermeidlich und das Schisma glitt rasch in die bewusst geführte Antithese zur etablierten<br />

Wissenschaftskultur ab. 31<br />

In den Dunstkreis dieses Paradebeispiels eines der zentralen Wissenschaftskonflikte in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts fällt das Wirken und Schaffen du Prels. Du Prel kann als ein sehr gutes Beispiel herangezogen werden,<br />

für jene die auf Zöllners Seite den Kampf gegen die Materialisten und für ihre eigene Sache kämpften.<br />

Du Prel schätzte Zöllner und seine Arbeiten hoch und sein Buch Der Kampf ums Dasein am Himmel war in seiner<br />

Entstehung direkt einem Werk Zöllners geschuldet, nämlich Über die Natur der Cometen: Beiträge zur Geschichte und<br />

Theorie der Erkenntnis32 . Dies letztgenannte war für Zöllner in der Öffentlichkeit ein großer Erfolg, hinsichtlich seiner<br />

universitär-wissenschaftlichen Karriere bedeutete es für ihn aber, in vielerlei Hinsicht einen weiteren Schritt ins Abseits<br />

zu getan zu haben. Letztlich kann für beide gesagt werden, dass sie, die Theorien, die sie, mit umso größerer<br />

Beharrlichkeit nach außen vertraten, wie das Publikum schließlich bereit war, sich ebenfalls innerhalb eines solchen<br />

akademischen Streits zu positionieren und überhaupt auch bereit war außerakademische Wissensangebote zu<br />

rezipieren. Gunter Mann hat in diesem Zusammenhang prononciert vom „monomanen Dilettantismus“33 gesprochen,<br />

der von Ausschließlichkeiten und Einengungen bestimmt sei. Diese einzelnen Gebildeten gerieten in eine<br />

Rolle, in der sie ihren eigenen wissenschaftlichen Standpunkt, also ihren subjektiven Glauben, zu einem zentralen<br />

Erkenntnisprinzip ausriefen und damit meinten, dass gefunden zu haben, was allein erlösende Erkenntnis mit sich<br />

brachte. Sie versahen diese Erkenntnis mit einem einseitigen, dafür aber universalem Anspruch und versuchten<br />

ihm in seiner Reichweite für eine ungebührliche Ausdehnung zu sorgen. Und Andreas Daum schreibt „Es gab die<br />

unterschiedlichsten Fälle „privaten Weltdeutertums“34. Auch er sagt weiter, das bei jenem Typ von „Wissenschaftler“<br />

ein merkwürdiges Missverhältnis zwischen fachlichen Spezialisierungen und der gesellschaftlichen Marginalität<br />

ihrer Deutungen und wissenschaftlichen Erkenntnis einerseits und ihrer emphatischer Forderung, den eigenen<br />

Erkenntnissen universale Gültigkeit beizumessen, andererseits bestand.<br />

31 Meinel, Christoph: Karl Friedrich Zöllner und die Wissenschaftskultur der Gründerzeit,1991: S. 11.<br />

32 Zöllner, Karl Friedrich: Über die Natur der Cometen: Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkentnis, Engelmann, Leipzig 1872.<br />

33 Mann, Gunter: Dilettant und Wissenschaft: die Relativität des Dilettantischen und Wissenschaftlichen, in: Biologie für den Menschen,<br />

Frankfurt/Main 1983 (S. 49-72): hier S. 55.<br />

34 Daum, Andreas W.: Wissenschaftspopularisierung im 19 Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und<br />

die deutsche Öffentlichkeit, 1842-1914, 2. ergänzte Auflage, Oldenbourg, München 2002: S. 404.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!