ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS
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ersten Falle wäre seine Leiblichkeit nicht benützt, im zweiten Falle wäre sie gar nicht vorhanden. In diesem<br />
Falle würden aber der Agent und der Rezipient andere Namen erhalten; der Hypnotiseur wäre ein Spirit,<br />
die Versuchsperson dagegen ein Medium.“ 238<br />
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Betreffend der Wissenschaftlichkeit dieser Versuchsreihe schrieb Carl du Prel selbstkritisch, dass er nicht leugne,<br />
dass manche „exakter“ hätte angestellt werden können, doch könnten „psychologische Experimente, selbst bei<br />
Hypnotisierten, nie den Grad von Exaktheit erreichen, der dem Naturforscher verschwebt.“ 239 Diese Haltung und<br />
der Mangel an klar formulierten Erkenntnisse und die voreilige Ableitung einer Theorie blieb für die Eintracht in der<br />
Psychologischen Gesellschaft nicht folgenlos. Die Synthese der Beobachtungen führte innerhalb der Gesellschaft<br />
bald zu<br />
Meinungsverschiedenheiten grundsätzlicher Art, die tatsächlich zu einer Spaltung der Gesellschaft in zwei Lager<br />
führten. Die eine Seite wurde von Schrenck-Notzing angeführt, der zunächst nur Phänomene beobachten und<br />
Ergebnisse sammeln wollte, die andere Seite von du Prel, der in den Phänomenen eine Bestätigung seiner spiritistischen<br />
Theorie sehen wollte, bzw. aus ihnen spiritistische Schlüsse zog. 240<br />
Was letztendlich den Grund für ihre Trennung lieferte geht aus den Quellen nicht klar hervor, denn der Biograf von<br />
Bayersdorfer spricht von einem weiteren Streit, der sich gegen 1888 zwischen Schrenck-Notzing, Bayersdorfer und<br />
du Prel entwickelte. Auslöser war ein Patient, der Schrenck-Notzing heftige Vorwürfe machte, weil seine hypnotische<br />
Behandlungsmethode ihm geschadet habe. Schrenck-Notzing wollte dagegen juristisch vorgehen, während<br />
Bayersdorfer darauf hinwies, daß ein Patient meistens sehr subjektiv urteile. Käss zitiert Bayersdorfer aus einem<br />
verschollenen Brief an du Prel:<br />
„Eine Frage der hypnotischen Therapie heute vor die Gerichte ziehen zu wollen, erscheint mir angesichts<br />
der zarten Jugendblüte der ganzen Disziplin […] der reine Wahnsinn[…] In einem solchen Fall müßte ich<br />
darauf bestehen, daß er aus der Gesellschaft austritt.“ 241<br />
Dazu passt auch du Prels Bemerkung in einem Brief vom 26.6.1889 an Alfred von Mensi-Klarbach (1854–1933), dass<br />
Schrenck-Notzing schuld an der Spaltung der Psychologischen Gesellschaft schuld gewesen sein soll. Überraschend<br />
dann jedoch, dass nicht Schrenck-Notzing austrat, sondern du Prel und sein Lager. Sie gründeten eine neue<br />
Gesellschaft, deren erster Name Gesellschaft für Experimental-Psychologie bald in Gesellschaft für wissenschaftliche<br />
Psychologie umbenannt wurde.<br />
In der Zeitschrift Sphinx erschien eine Serie von Aufsätzen, die 1887 während eines Aufenthaltes in der Sommerfrische<br />
im Tiroler Silz zu einem Buch verdichtet wurden, das für ihn eine wichtige Ergänzung zur Philosophie der<br />
Mystik darstellte. Es bekam den Titel Die monistische Seelenlehre. Ein Beitrag zur Lösung des Menschenrätsels.<br />
238 Du Prel, Carl: Hypnotische Experimente, in: Studien aus dem Gebiete der Geheimwissenschaften, Teil II: Experimentalpsychologie<br />
und Experimentalmetaphysik, 1905: S. 52.<br />
239 Ebd.: S. 50.<br />
240 Charles Richet, der zusammen mit du Prel dieselben Phänomene auf den von Aksakow arrangierten und finanzierten Sitzungen<br />
in Mailand mit dem Medium Eusapia Paladino beobachtete, erklärte seinen Widerstand, der du Prelschen Interpretation<br />
zu folgen: „Ich habe all das gesehen, was Sie gesehen haben; aber meine Schlussfolgerung ist etwas abweichend; denn ich<br />
glaube, man müsste zehnmal mehr gesehen haben, um die Behauptung wagen zu können, dass sich eine Hand materialisiere!!!<br />
– was so monströs ist, dass man sich weigert, daran zu glauben.“<br />
241 Käss, Siegfried: Der heimliche Kaiser der Kunst: Adolph Bayersdorfer, seine Freunde und seine Zeit, Tuduv, München 1987: S. 189.