ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS
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leider immer wieder der Fall gewesen ist. Da die ‚Hypnotiker’ in Deutschland zu sehr Materialisten seien336 , suchte<br />
du Prel ein Forum für seine eigenen Ideen für, wie er es nannte ‚mystischen‘ Studien, bei denen es eben oft um die<br />
spekulative Auswertung einer hypnotischen Erscheinung ging und weniger um die reine Dokumentation und den<br />
eventuellen Vergleich und die daraus sich ableitende, eventuelle Aussagekraft einer solchen Erscheinung.<br />
Die Gesellschaft sollte ihm diese ‚mystischen’ Studien auf dem Gebiet der unbewussten und unwillkürlichen Funktionen<br />
ermöglichen. Die Ergebnisse aus den Experimenten, die er interpretierte - diese Interpretationen bezeichnete<br />
er dann auch oft als die eigentlichen Tatsachen des Experiments -, brauchten nicht aus aktuellen Beobachtungen<br />
herrühren, sondern konnten auch aus historischen, fernöstlichen Quellen337 stammen. Genau diese Art des Vorgehens<br />
und der Arbeitsweise bringt du Prel bis heute den Ruf unwissenschaftlichen Arbeitens und genau jenen Ruf<br />
ein, den er immer zu vermeiden versucht hatte, nämlich den der Scharlatanerie. Seine Idee der Verquickung von<br />
‚naturwissenschaftlicher’ Beobachtung und der ‚philosophischer’ Auseinandersetzung mit diesen Ergebnissen, endete<br />
bei ihm immer wieder in einer Ungenauigkeit in der Trennschärfe des Einen vom Anderen. Die Durchmischung<br />
und die Ungenauigkeit seiner Arbeit bei der Anwendung seiner beiden Standbeine in seiner Theorie, führen oft zu<br />
einer heute schwer nachvollziehbaren Vermengung beider, die eine klare Nachvollziehbarkeit und die Reproduktion<br />
seiner Versuche und der daraus gezogenen Schlüsse nahezu unmöglich macht.<br />
Er gab der Gesellschaft die Richtung vor. Nachdem Albert von Schrenck-Notzing sein medizinisches Studium in<br />
München und Paris abgeschlossen hatte und du Prels herausragende Stellung streitig machte, gründeten du Prel<br />
und seine Gefolgsleute eine neue Gesellschaft, Gesellschaft für wissenschaftliche Psychologie, in der du Prel<br />
wieder allein tonangebend war und. 338<br />
Die Gesellschaften sollten du Prel als Foren und Bühnen dienen und seinem einstigen Wunsch entsprechen, als<br />
Dozent tätig zu sein, von ihrer Art her aber waren sie eher im Sinne der einer Interessensgemeinschaft, die den<br />
Anspruch hatte, vor allem ein neues ‚wissenschaftliches‘ Feld zu ergründen, es vielleicht sogar erst zu einem Bereich<br />
zu machen, das für die wissenschaftliche Arbeit erst noch zu erschließen war. Daher ging es ihm in erster Linie<br />
darum, die Menschen generell für das Thema zu sensibilisieren. Hier konnte er Vorträge halten, die sich vor allem<br />
um seine eigenen Theorien drehten. Den wirklich kritischen Austausch gab es wahrscheinlich eher nicht. In den<br />
steigenden Mitgliederzahlen sah du Prel ein Indiz für den Erfolg seiner Ideen. Die Zahl der Gesellschaftsmitglieder<br />
wuchs schnell an: im April 1887 gehörten ihr etwa 60 Mitglieder an, im Juni waren es bereits 74339 ; „100 Mitglieder<br />
in 1Jahre!“ schrieb340 du Prel am 15.11.1887. Danach wuchs die Mitgliederzahl nur unwesentlich, am Ende des<br />
Jahres 1888 lag sie bei 117.<br />
Die 1889 noch mit dem vorläufigen Namen Gesellschaft für experimentellen Okkultismus gegründete zweite<br />
Gesellschaft du Prels, die aber schon ab 1890 unter dem Namen Gesellschaft für wissenschaftliche Psychologie<br />
in Erscheinung trat, war von ihren Statuten her im Aufbau in einigen Punkten grundlegend anders ausgerichtet als<br />
die Psychologische Gesellschaft, so war anfänglich die Anzahl der Mitglieder auf 25 beschränkt und nicht vor Ort an-<br />
336 Vgl. Carl du Prel in seinem Brief vom 3.10.1886 an Eduard von Hartmann.<br />
337 Stichworte: griechische Mystik, Buddhismus.<br />
338 Carl du Prel an Alexander Aksakow, 11.6.1893: „[…] die Tendenzen unseres Vereins [sind] mit meinen persönlichen identisch<br />
[…].“<br />
339 In der Mitgliederliste vom Juni 1887 lassen sich folgende Gruppen bilden: 13 Militärangehörige, 7 Maler, 6 Schriftsteller/Redakteure,<br />
4 Kunsthistoriker; siehe Mitgliederliste im Anhang.<br />
340 Carl du Prel an Hans Vaihinger, 15.11.1887 (Poststempel).