ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS
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Sache ein.“ 366<br />
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Zum anderen sollte der Spiritismus aber nicht nur durch überzeugte Wissenschaftler und Akademiker ‚salonfähig’<br />
gemacht werden und durch Geistesgrößen, die ihn anerkannten, seine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und<br />
Reputation erhöht werden, sondern durch die Experimente sollten auch die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten<br />
Zugang zu der Materie erhalten.<br />
So griff du Prel im Programm der Psychologischen Gesellschaft die Geschichte des bekannten dänischen Hypnotiseur<br />
und Magnetiseur Carl Hansen auf und gibt sie dort als ein gelungenes Beispiel für die Überzeugungskraft von<br />
Experimenten bei der breiten Bevölkerungsschicht wieder. Dieser gab Anfang 1880 im Wiener Ringtheater Vorstellungen<br />
hypnotischer Phänomene, die auch von Sigmund Freud367 besucht wurden. Auch Lazar von Hellenbach,<br />
der dieser Veranstaltung beiwohnte, schrieb nach seinen dabei gemachten Erfahrungen noch im selben Jahr 1880<br />
die kleine Studie Ist Hansen ein Schwindler? Eine Studie über den „animalischen Magnetismus“. Hansen löste<br />
mit seinen Vorstellungen einen „epidemischen Mystizismus“ 368 aus - auch in München. Es ist bis jetzt unklar, ob du<br />
Prel bis zu diesem Zeitpunkt schon einmal einer Vorstellung beigewohnt hatte. In jedem Fall gab Hansen 1887/88<br />
während seiner deutschlandweiten Vorstellungsreihe öffentliche Schauvorstellungen in München und hielt auch<br />
vor der Psychologischen Gesellschaft einen Vortrag. 369<br />
Max Dessoir, Mitglied der Gesellschaft, besuchte eine von Hansens Vorstellungen in Berlin, die - wie er schrieb - von<br />
Leuten aller Stände besucht werden würden:<br />
„[…] ich habe hier Univers. Prof. neben Offizieren u. neben gemeinen Frauenzimmern gesehen; sicherlich sind also<br />
die gebildeten, ja gelehrten Klassen in der Ueberzahl.“ 370 Als Hansen es 1892 in Erwägung zog, sich als ärztlicher<br />
Hypnotiseur niederzulassen, wurde dieses von du Prel in einem Brief371 an Aksakow begrüßt. Du Prel sah darin<br />
wohl für die Hypnose und den hypnotischen Experimenten die Chance einer gewissen Institutionalisierung und<br />
vor allem eine wissenschaftliche Anerkennung. Sie wird von etwas Besonderem, Außergewöhnlichem zu etwas<br />
Etablierten, das sich unter den Deckmantel eines Arztes zurückziehen kann.<br />
366 Carl du Prel an Gabriel von Max, 23.10.1892.<br />
367 Über Freuds Eindrücke, der sich von der Echtheit der hypnotischen Phänomene überzeugt zeigte, siehe: Sigmund Freud, 1925<br />
In: Grubrich-Simitis, Ilse (Hg.), »Selbstdarstellung« Schriften zur Geschichte der Psychoanalyse. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch<br />
Verlag 1973.<br />
368 Vgl.: Bechterew, Wladimir. Die Bedeutung der Suggestion im sozialen Leben 1905: S. 117-119. Den Besuch einer Vorstellung<br />
Hansens im Münchener Kolosseum im Jahre1881 beschrieb Ludwig Ganghofer im ersten Kapitel seines Buches der Freiheit<br />
und sprach von einer ‚hypnotischen Epidemie’, die nach Hansens Abreise in München zurückblieb. In allen Familien und<br />
Wirtsstuben wäre hypnotisiert und suggeriert worden.<br />
369 Mitgeschrieben von Oskar Panizza; siehe Anhang.<br />
370 Max Dessoir an Wilhelm Hübbe-Schleiden, 7.7.1887 (nicht im Anhang); Aufbewahrungsort des Briefes: SUB Göttingen; Nachlass<br />
Hübbe-Schleiden.<br />
371 Carl du Prel an Alexander Aksakow, 2.5.1892; dieser Brief fehlt im Anhang.