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ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS

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66 | CARL DU PREL – LEBENSLAUF<br />

Carl du Prel wählte bewusst diesen Untertitel - er gedachte erste ‚Beweise’ liefern zu können, dass keine begriffliche<br />

Trennung der Seelenfunktionen, Organisieren und Denken - keinen Dualismus von Körper und Seele existiere. Das<br />

Denkende sei mit dem Organisierende identisch - somit monistisch in Form einer individuellen Seele. In seinem<br />

Buch beabsichtigte du Prel zwei Wege zu beschreiten, um zu einer Definition der Seele zu gelangen: 1: induktiv,<br />

durch Beobachtung psychischer Prozesse (Tätigkeiten, Empfinden, Vorstellen, Denken, Fühlen und Wollen); 2.<br />

deduktiv, durch Analyse mancher Produkte geistiger Tätigkeit (als Beispiel nahm er die „Organprojektion“ aus dem<br />

Bereich der Technik und das Beispiel des Goldenen Schnitts aus dem Bereich der Ästhetik). Sie zeigten Bestandteile,<br />

die sich aus dem Bewusstsein nicht erklären, die im Bewusstsein des Produzenten gar nicht als Ziel lagen, die<br />

aber vermöge ihrer Beschaffenheit dennoch ein denkendes Prinzip voraussetzen. Diese Analyse ergab für ihn: das<br />

denkende Prinzip sei identisch mit dem organisierenden Prinzip unseres Körpers. Eine Seele, die sowohl organisiert<br />

als auch denkt, erklärt den Menschen monistisch, sie verbindet Körper und Geist. Mit der Monistischen Seelenlehre<br />

und ihren „Tatsachenberichten“ wurde die Philosophie der Mystik in den Augen du Prels und sowohl seiner<br />

Anhänger als auch seiner Gegner zu einer Philosophie des Spiritismus. Die sogenannten „Tatsachen“ des Somnambulismus<br />

und Spiritismus, die bei Sitzungen beobachtet wurden, bekamen zunehmend Gewicht.<br />

Eduard von Hartmann, hingegen interpretierte die beschriebenen Beobachtungen jedoch völlig anders: er bestritt<br />

du Prels Ansicht von der Rolle des Somnambulismus vehement. Seiner Meinung nach könne auch nicht von zwei<br />

Bewusstsein oder Personen in einem Individuum gesprochen werden. Für ihn sei man dem metaphysischen Kern<br />

der Seele nicht näher gekommen. 242<br />

Im selben Jahr, 1888, veröffentlichte du Prel mit Mystik der alten Griechen. Tempelschlaf, Orakel, Mysterien,<br />

Dämon des Sokrates (1888) das Buch, das den dritten Band der Philosophie der Mystik bilden sollte. In ihm versuchte<br />

er nachzuweisen, dass die Griechen der Antike die „moderne Mystik“ - Magnetismus, Somnambulismus und<br />

Spiritismus - gekannt haben. Historische Texte aus der griechischen und ägyptischen Kulturgeschichte mit Hilfe<br />

parapsychologischer Erklärungen wurden von ihm einer Neuinterpretation unterzogen. Ein Beispiel für die Grenzberührung<br />

zwischen Philologie und Mystik in Sinne du Prels sei diese kurze Passage zitiert:<br />

„Bei den Orakeln und dem Tempelschlaf handelt es sich in der Tat um Somnambulismus, die Mysterien<br />

werden sofort klar, wenn man sie in Verbindung mit dem modernen Spiritismus bringt, und der Dämon<br />

des Sokrates konnte darum seine Lösung nicht finden, weil man ihn nicht als Problem der transzendentalen<br />

Psychologie erkannt hat.“ 243<br />

Noch ein drittes Buch erschien 1888: Von Hans Vaihinger, der während seiner Arbeit zum Commentar zu Kants<br />

Kritik der reinen Vernunft auf verschollene Vorlesungen von Immanuel Kant über Psychologie stieß, erfuhr du Prel<br />

1887 beiläufig von dessen Entdeckung: Nach dem Tod von Kant erschien 1821 ein Buch unter dem Titel Immanuel<br />

Kants Vorlesungen über Metaphysik, herausgegeben von K. H. Ludwig Poelitz, Staatsrechtslehrer und Gründer der<br />

Leipziger Staatsbibliothek. Einer der drei darin enthaltenen Abschnitte hatte den Titel Vorlesungen über Psychologie,<br />

in welchem Kant seine Ansichten über das ‚Geisterreich’ behandelte. Sie gehörten der nachkritischen Periode<br />

Kants an und waren für seine abschließende Haltung zur Jenseitsfrage daher bezeichnend. Für du Prel hatte Kant<br />

darin ein ganzes System der Mystik entworfen: Negierend, oder wenigstens skeptisch sei Kant in Bezug auf das<br />

242 Vgl. Hartmann, Eduard von: Moderne Probleme, Leipzig 1886, 2. Aufl. 1888.<br />

243 Du Prel, Carl: Die Mystik der alten Griechen, in: Die Psyche und das Ewige, 1971: S. 145.

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