ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS
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– es sei nur an die Experimente mit Hansen erinnert – eben darum imstande sein muss, Geisteskranke zu<br />
heilen, wenigstens sie von ihren fixen Ideen zu befreien. Auch in dieser Richtung liegen bereits erfolgreiche<br />
Experimente vor.“<br />
Der Theologe „wird das höchste Interesse daran nehmen, dass verschiedene Berichte der Bibel und der<br />
Heiligenkunde, die bisher ausserhalb des Kreises seiner Berufsgenossen einer negierenden Zweifelsucht<br />
begegneten, nunmehr als möglich anerkannt werden.“<br />
Der Jurist „wird ebenfalls in Grenzberührung mit der Psychologie kommen. Er wird sich unter anderem mit<br />
der Frage zu beschäftigen haben, ob die von einem zurechnungsfähigen Menschen begangenen Handlungen<br />
unter allen Umständen ihm zur Last gelegt werden können. Diese Frage, welche die französischen<br />
und Schweizer Gerichtshöfe bereits mehrfach praktisch beschäftigt hat, muss verneint werden, denn der<br />
Mensch kann unter hypnotischem Einfluss gehandelt haben.“<br />
Der Künstler „wird vielleicht leer auszugehen glauben; aber Gebärden und Mimik sind in hypnotischen<br />
und somnambulen Zuständen nicht nur dem Einfluss fremder Ideen zugänglich, sondern alsdann auch im<br />
höchsten, im Wachen kaum erreichbaren Grade ausdrucksvoll, weil sie eben von innen herausgearbeitet<br />
werden, während das heutige Modell des Künstlers nur äusserem Befehl gehorcht, oder nur mechanisch in<br />
Position gesetzt wird.“ 346<br />
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Bezeichnend ist hier für du Prel der Gedanke, der universellen Vernetzung verschiedenster Disziplinen durch eine<br />
Idee - den Spiritismus. Deshalb spricht du Prel auch immer von seiner neuen Weltanschauung. Bei einer konsequenten<br />
Verfolgung des „Spiritismus“ mussten sich nach seiner Vorstellung für wesentliche Probleme, die für die<br />
jeweilige Disziplin als störend oder gar unüberwindbar erschien, durch seine Weltanschauung sich zwangsläufig<br />
die entscheidenden Lösungen offenbaren.<br />
Nun war eine solche Art von Forum alles andere als wirklich neu: Carl du Prel lernte diese Form des vernetzenden<br />
Denkens schon mit dem Darwinismus kennen, das nahezu alle bis dahin bekannten Vorstellungen des Werdens<br />
revolutionierte und sich auf eine Vielzahl von Gebieten, die in engerem oder weiterem Zusammenhang mit der<br />
Evolution standen, erstreckte. Die Art der Zusammenführung Jener, die sich von dieser neuen Idee angesprochen<br />
fühlten, sah er schon zu seiner Zeit beim Kosmos umgesetzt. Zum einen sah er eine solche Verquickung aller<br />
lebensbeeinflussenden Bereiche durch den Darwinismus durch die Leser der Zeitung selbst gegeben, aber auch<br />
innerhalb der Redaktion sah er eine Vielzahl von Köpfen aus den unterschiedlichsten Disziplinen vereinigt, die im<br />
Darwinismus eine Fortentwicklung oder einen neuen Lösungsansatz für die Probleme ihrer jeweiligen Disziplin<br />
sahen. Die Herausgeber erklärten, dass erst der Darwinismus eine kausale Welterklärung ermöglicht habe, und<br />
dass diese neue einheitliche Weltanschauung auch die anderen Wissenschaften ganz in ihren Bann ziehen und<br />
diese Zeitschrift ihnen ein Forum für den Austausch bieten werde. 347 Wo sich eine Gelegenheit ergab, warb du Prel<br />
um neue Mitglieder. Und je größer deren Reputation und höher ihre Stellung in der Wissenschaftswelt war, umso<br />
größer wäre der Vorteil ihres Beitritts für die Gesellschaft und ihren Ruf „Werden Sie nicht beitreten? Wir haben<br />
Ärzte u. Professoren darin“ schrieb348 du Prel seinen alten Bekannten aus gemeinsamen Zeiten aus Straßburg, den<br />
Kantexperten Hans Vaihinger, der 1884 einem Ruf an die Universität Halle/Saale gefolgt war.<br />
In solchem Werben, um den Beitritt damaliger Geistesgrößen in die Gesellschaften, ist das stete Ringen um Wahr-<br />
346 Du Prel, Carl: Programm der Psychologischen Gesellschaft, in: Sphinx, März 1887: S. 32–36.<br />
347 Siehe „Prospekt“, in: Kosmos I.1 (1877).<br />
348 Carl du Prel an Hans Vaihinger, 15.11.1887.