ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS
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76 | CARL DU PRELS WELTBILD<br />
„Wir würden uns also nicht lange erfreuen können an der politischen Neugestaltung und Grösse Deutschlands,<br />
wenn es nicht, das Übel an der Quelle zu verstopfen, vermöge dessen wir in der Zivilisation vorwärts,<br />
in der Kultur aber rückwärts gehen; und dieser Widerspruch müsste sich immer mehr steigern, wenn<br />
nicht der metaphysischen Bedürfnislosigkeit des Jahrhunderts ein Ende gemacht wird. Dazu ist aber, und<br />
hoffentlich zum Wohle auch der übrigen Völker, zunächst die deutsche Philosophie berufen; es liegen in ihr<br />
die Entwicklungskeime zur Ausbildung eines metaphysischen Individualismus, der allein den Anforderungen<br />
an das zu Leistende gerecht werden könnte.“ 278<br />
So stand hinter den Veröffentlichungen seiner Bücher der Wunsch der Belehrung und Bekehrung. Ganz klar drückte<br />
er dies im Vorwort seines „hypnotisch-spiritistischen’ Romans Das Kreuz am Ferner279 aus: am Anfang zagend,<br />
später auf dem spiritistischen Gebiet heimisch geworden, werde sich der Leser in ganz ungeahnter Weise belohnt<br />
finden. So sei es ihm gegangen, das gleiche Schicksal wünschte er nun dem Leser. 280 In diesem Roman281 lässt du<br />
Prel den Leser Einblicke bekommen in seine sowohl weltanschaulichen als auch politischen und gesellschaftskritischen<br />
Ansichten, in denen der Spiritismus den Schlüssel zu einer besseren Welt darstellt. Der Roman gibt Hinweise<br />
auf du Prels bildungsbürgerlich-aristokratische und gegenüber sozialdemokratischen Ideen eher verschlossenen<br />
Haltung.<br />
Hauptfigur ist Graf Alfred, gebildeter Aristokrat aus Tirol, der nach dem tragischen Tod seiner Geliebten auf der<br />
Suche nach Wissen und geeigneten Mitteln, um Kontakt zur Verstorbenen zu bekommen, eine Odyssee u. a. durch<br />
die halbe Welt unternimmt. In Indien begegnet Alfred einen Adepten, mit dem er sich nicht nur über Geheimlehre<br />
und Alchemie unterhält, sondern auch ihre Bedeutung für die Ethik:<br />
„Wissen ist Macht; das zeigt eure europäische Zivilisation ohne alle Frage; aber sie zeigt auch, daß ein<br />
Wissen ohne ethische Grundlage nur im Dienste des „Individualegoismus“ mißbraucht wird und jene<br />
Massenphänomene nach sich zieht, die in euren sozialen Schäden zu Tage treten.“ 282 Alfred entgegnet:<br />
„Unsre Kultur […] ist daraufhin angelegt, die breiten Massen des Volkes gleichmäßig zu heben, und nicht<br />
einzelne Menschen zu Uebermenschen zu entwickeln.’ – [der Inder:] ‚Das Programm hört sich gut an, aber<br />
die Ausführung wird euch nicht gelingen. Seht euren Pöbel an – wie er sich schon oft bei geschichtlichen<br />
Gelegenheiten gezeigt hat – und seht den unsrigen an.’ Alfred war beschämt, nicht widersprechen und nur<br />
etwa in die Zukunft die Ausführbarkeit des europäischen Programms verlegen zu können. Aber auch das<br />
wollte der Indier nicht gelten lassen: ‚Die Natur ist aristokratisch, jede demokratische Kultur ist also gewissermaßen<br />
unnatürlich. Es begreift sich, daß Völker das Joch einer Geburtsaristokratie abstreiften, daß sie<br />
mit noch größerem Rechte gegen eine Geldaristokratie sich auflehnen; aber nicht um den Kampf gegen<br />
solche Formen handelt es sich, sondern darum, daß eure Völker die Aristokratie überhaupt negieren, und<br />
auch die Natur, die des Geistes und Herzens, nicht anerkennen wollen, die doch allein einen wirklichen<br />
278 Vgl.: Du Prel, Carl: Materialismus und Moral, in: Nachgelassene Schriften, 1911: S. 127.<br />
279 Vgl. Vorwort von Du Prel, Carl: Das Kreuz am Ferner: Ein hypnotisch-spiritistischer Roman, J. G. Cotta, Stuttgart 1891.<br />
280 Vgl. Du Prel, Carl: Das Kreuz am Ferner Ein hypnotisch-spiritistischer Roman, 5.-7. Aufl. J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger,<br />
Stuttgart und Berlin 1920: S. V.<br />
281 Er spielt vor der Kulisse der Tiroler Bergwelt, in der du Prel viele Jahre entweder lebte (siehe seine Jahre in Brixen) oder die<br />
Sommer verbrachte. Schauplatz ist Südtiroler Schloss Rodeneck, das er im Roman den Namen Karlstein gibt. Mit der Beschreibung<br />
der okkultistischen Schlossbibliothek im Roman beschrieb du Prel wahrscheinlich seine eigene.<br />
282 Ebd.: S. 286.