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ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS

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98 | CARL DU PRELS STRATEGIEN DER VERBREITUNG - MÖGLICHKEIT <strong>UND</strong> ERFOLGE<br />

über die Welt beitragen konnten.<br />

Über diese Offenheit nicht nur gegenüber dem damals neusten Stand der Forschungen, sondern auch durch das<br />

ungeheure Streben nach Interdisziplinarität und der Vernetzung der unterschiedlichsten Fachgebiete untereinander,<br />

kann man sich zu der Aussage hinreißen lassen, dass du Prel einer der ersten Vorläufer im Denken heutiger Wissenschaftskonzeptionen<br />

war. Durch das Einbeziehen und das Aufeinanderbeziehen von Geistigem auf Materielles,<br />

von den damals sich gerade als endgültig eigenständige naturwissenschaftlichen Disziplinen entwickelnden Wissensbereichen<br />

wie Biologie und Physik auf Kunst, Kultur und Literatur und durch sein Ansprechen einer Metaebene<br />

im Menschen mit einer Theorie, die pseudoreligiöse Kraft in sich trug, gibt du Prel genau dem Ausdruck, was vom<br />

Bruch, Graf und Hübinger mit „kultureller Desorientierung in der wirtschaftlich prosperierenden Wilhelminischen<br />

Gesellschaft“ bezeichnen. Die aber am Ende, und man da sollte man diesen Satz nicht mit der negativen Konnotation<br />

lesen, die er in sich zu tragen scheint, in einer unglaublichen Vielfalt von bahnbrechenden Ergebnissen in<br />

der modernen Wissenschaft und zu bestechenden Leistungen in der Kunst der klassischen Moderne führten und<br />

beitrugen. Man mag auch Meinel in seiner Analyse zustimmen,<br />

„[…] dass da Magie und Mesmerismus eigentümliche Verbindungen mit dem Empirizismus der Naturwissenschaft<br />

eingingen.” und dass „das Fin de siècle eine Zeit war, der die Normen und Verbindlichkeiten – wie<br />

es scheint – abhanden gekommen waren und die statt eines einheitlichen Weltbildes nur noch einen<br />

bunten Strauß schillernden Weltbilder vorweisen konnte.“ 388<br />

Es bleibt aber auch zu überdenken, ob nicht gerade in all dem nur ein weiteres Mal ein deutliches Aufbäumen des<br />

menschlichen Geistes zu sehen ist, der sich gegen eine bis ins kleinste Detail entzauberte Welt stellt und dabei noch<br />

einmal reflektiert, dass es die Möglichkeit gibt, sich dem Anspruch der Richtigkeit dessen, was er zu sehen und sich<br />

zu errechnen in der Lage glaubt, zumindest zu einem bestimmten Teil und auf eine durchaus eigentümliche Art<br />

und Weise zu widersetzen.<br />

Du Prels Spiritismus war ein Schlüsselphänomen in der Reaktion deutscher Bildungsbürger auf Modernisierungserscheinungen<br />

und hatte die therapeutische Funktion einer Versöhnung von Kunst, Wissenschaft, Religion und<br />

Mystik.<br />

Für die Philosophen wollte du Prel einen Metaphysischen Darwinismus begründen, für die Naturwissenschaftler<br />

eine Experimentalpsychologie, den Menschen generell eine Bewegung geben, an die sie sich halten konnten. Der<br />

Spiritismus war mehr als Tischrücken oder eine Tagesmode: wie Corinna Treitel es auch in ihrem Buch A Science for<br />

the Soul beschrieb, ließ die Modernität des Okkultismus und Spiritismus und ihre Verflechtung mit Wissenschaft,<br />

Religion, Kunst und auch dem politischen Denken der wilhelminischen Epoche sie in dem damaligen Zeitgeist<br />

virulent sein.<br />

388 Meinel, Christoph: Aufbruch und Krise: Die Naturwissenschaften im Fin de Siècle, in: Einblicke in eine sterbende Ära, Comenius-<br />

Universität, Bratislava 2000: S. 169.

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