ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS
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260 | ANHANG<br />
bestimmten Teile unseres Körpers ein Stigma von bestimmter Form bildet. Der Gedanke des Hypnotiseurs wirkt<br />
nicht direkt, sondern indem er von dem vollständig passiv gewordenen Hypnotisierten angenommen wird, der<br />
sodann als Selbsthypnotiseur seinen eigenen Organismus beeinflusst. Dies deutet aber offenbar auf eine Identität<br />
des denkenden und organisierenden Prinzips in uns hin, und diese Tatsache unter vielen ist allein hinreichend zur<br />
Begründung einer monistischen Seelenlehre.<br />
Der Hypnotiseur beherrscht in der angegebenen indirekten Weise die Empfindungen des Patienten, sein Verstandesleben,<br />
seine organischen Funktionen, seinen Willen und somit seine Handlungsweise, und das nicht nur für die<br />
Dauer des hypnotischen Zustandes, sondern auch noch nach dem Erwachen. Dabei ist besonders merkwürdig,<br />
dass der Hypnotisierte, wenn die ihm eingepflanzte Idee zu einer vorausbestimmten Stunde aus ihrer Latenz tritt,<br />
sie nicht als eine fremde Idee erkennt, obwohl er alsdann im wachen Zustande ist, sondern aus eigenem Impuls zu<br />
handeln meint. Auch dies spricht wieder dafür, dass eben diese Idee nicht als fremde wirkt, sondern nur weil der<br />
Hypnotisierte sie passiv aufgenommen, sie zu einer eigenen gemacht und anerkannt hat.<br />
Durch die hypnotischen Versuche ist nun ein weiteres ergiebiges Gebiet zur Begründung einer Experimentalpsychologie<br />
erschlossen und so lässt sich nun mit grösserer Sicherheit erwarten, dass auch die Psychologie energischer<br />
als bisher jenen Aufschwung nehmen wird, den noch jeder Wissenszweig nahm, sobald er experimentell betrieben<br />
wurde; denn hier erscheint die Seele nicht mehr als blosse Wirkung des Körpers, sondern es liegt sogar die Gefahr<br />
nahe, sich für das umgekehrte Kausalverhältnis zu entscheiden, die Seele vollständig vom Körper abzutrennen,<br />
so dass wir, die Scylla des Materialismus vermeidend, in die Charybdis eines dualistischen Spiritualismus fallen<br />
könnten.<br />
Die wissenschaftlichen Hypnotiseure haben begreiflicherweise zunächst die medizinische, nicht aber die philosophische<br />
Bedeutung des Hypnotismus erkannt und betont; auch ist ja die Hoffnung ganz gerechtfertigt, dass sich<br />
daraus bis zu einem noch nicht bestimmbaren Umfang eine psychische Heilmethode entwickeln wird, die sogar mit<br />
Rücksicht auf den Autohypnotismus zu einer autophysischen werden könnte. Schon nehmen aber die genannten<br />
Forscher keinen Anstand mehr, das noch vor kurzem verpönte Wort „Somnambulismus“ in den Mund zu nehmen,<br />
und diesen – le somnambulisme provoqué – als eine Phase innerhalb des Hypnotismus anzuerkennen. Auf diesem<br />
Gebiete nun werden wir jenen Funktionen begegnen, welche die Unabhängigkeit der Seele vom Körper erweisen.<br />
Schon im Altertum bekannt, aber durch den Schleier des Geheimnisses verhüllt, sind diese Phänomene erst seit<br />
hundert Jahren, seit der Wiederentdeckung des sogenannten tierischen Magnetismus und Somnambulismus durch<br />
Mesmer und Puységur, wieder bekannt – allerdings unter beständigem Kampfe mit der offiziellen Wissenschaft –<br />
beobachtet worden. Dass aber darin keine neue Entdeckung lag, sondern eben nur eine Wiederentdeckung, lässt<br />
sich vorweg erwarten; denn wenn in der menschlichen Seele Fähigkeiten liegen, wie das Gedankenlesen, Fernsehen,<br />
Fernwirken etc., dann werden diese wohl zu allen Zeiten beobachtet worden sein, und wer ohne die Voreingenommenheit<br />
moderner Anschauungen das Altertum und Mittelalter daraufhin durchgeht, insbesondere aber<br />
die nun schon hundertjährige Literatur über den Somnambulismus kennt, der wird zum Mindesten die Gewissheit<br />
erlangen, dass hier ein Feld vorliegt, auf welchem die wichtigsten Seiten des Menschenrätsels erforscht werden<br />
könnten. Freilich entsprang weder im Altertum noch im Mittelalter ein bleibender Gewinn für die Menschheit aus<br />
der Kenntnis dieser Dinge; aber es fehlte beiden Perioden an einer experimentalen Erforschungsmethode, und<br />
während das Altertum daraus das Geheimnis einer Priesterkaste machte, betrachtete sie das Mittelalter von dem<br />
hier unzutreffenden Standpunkt der Religion aus und sah darin teils Wunder, als legitime Zauberei, teils schwarze<br />
Magie, als illegitimes Wunder. Werden einmal diese Fähigkeiten der menschlichen Seele – wir können sie transzendental-psychologische<br />
Fähigkeiten nennen, weil sie im normalen Zustande latent bleiben – nach experimenteller