ZWISCHEN PHILOSOPHIE UND SPIRITISMUS
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50 | CARL DU PREL – LEBENSLAUF<br />
arbeitung und dritten vermehrten Auflage seines Buches Der Kampf ums Dasein am Himmel, die unter<br />
dem neuen Titel Entwicklungsgeschichte des Weltalls. Entwurf einer Philosophie der Astronomie 167 erschien.<br />
Den früheren Titel des Buches musste du Prel fallen lassen, weil sein Inhalt über diesen Titel bedeutend<br />
hinausgewachsen war. In dieser erweiterten Gestalt wollte er zur Begründung einer „vierten“ 168 Entwicklungsstufe<br />
der Astronomie seinen Beitrag leisten. Die beschreibende Astronomie des Altertums, die<br />
rationelle Astronomie des Kopernikus, die physische Astronomie Newtons bilden 169 nach du Prel die drei<br />
historischen Stufen, über die die spekulative Astronomie sich erheben soll. Die Astronomie wird auf dieser<br />
vierten Entwicklungsstufe aus einer mathematischen zu einer philosophischen Disziplin. In einer Philosophie<br />
der Astronomie soll die Frage nach der Physiologie der Sinneswahrnehmungen und der geistigen<br />
Natur der Planetenbewohner herangezogen werden, die mit Hilfe einer Philosophie der Technik beantwortet<br />
werden soll. 170<br />
In seiner Philosophie der Technik (1877) wollte Ernst Kapp nachweisen, dass im menschlichen Organismus<br />
technische Probleme vorgebildet liegen. Durch weitere genaue Untersuchungen des Menschen ließen sich technische<br />
Probleme lösen, so wurde zum Beispiel das Rätsel des Auges erst nach der Erfindung der Camera obscura<br />
verstanden. Du Prel sah im technischen Gebiet die Ergänzung des organischen und im Geist eine Fortsetzung des<br />
Organischen. 171 Analog schließt du Prel daraus, „daß für jene Probleme, die auf der Erde [bisher] nur technisch<br />
gelöst sind, die organischen Vorbilder sich unter anderen Existenzbedingungen, d. h. auf anderen Planeten, finden.<br />
Es sind Wesen denkbar, welche das Teleskop, Mikroskop oder Spektroskop in organischer Form besitzen.“ 172 Auf<br />
solche Spekulationen über die physische Natur extraterrestrischer Wesen wurde du Prel angeregt durch Kapps<br />
Philosophie der Technik. Ernst von Baers Physiologie der Sinneswahrnehmung 173 ließ ihn über deren geistige Natur<br />
nachdenken. Von Baer erklärte in seiner Studie Welche Auffassung der Natur ist die richtige?, dass eine Korrektur<br />
unseres Gehirns das Weltbild verändern würde, ohne dass sich die Welt verändert hätte. Aus dieser Abhängigkeit<br />
unseres Weltbildes von der Beschaffenheit unserer Sinne und unseres Intellekts schloss du Prel, dass sich bei der<br />
Vielzahl an Bewusstseinsformen unzählige Wesensarten denken lassen, die jeweils in einer anderen Welt lebten<br />
und doch wären alle diese Welten identisch. Unser Organismus sei nur einigen ‚Schwingungsarten’ angepasst – wir<br />
wissen nicht, wie viele existieren, aber Wesen, die den uns unbekannten „Schwingungsarten“ angepasst wären,<br />
würden ein ganz anderes Weltbild haben, ganz andere Kenntnisse und eine ganz andere Wirkungsweise. 174<br />
Carl du Prels erkenntnistheoretische Haltung in dieser Periode lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Philosophie<br />
und Naturwissenschaft sind darüber einig, dass der Mensch vermöge seiner beschränkten Sinnesapparate<br />
nur einen Bruchteil der Wirklichkeit zu erkennen vermag, dass also die Welt mit einem transzendentalen Stück über<br />
unsere Organisation, unser Bewusstsein, hinausragt. Wir Menschen können mit unseren beschränkten Sinnesap-<br />
167 Du Prel, Carl: Entwicklungsgeschichte des Weltalls Entwurf einer Philosophie der Astronomie. Dritte vermehrte Auflage der<br />
Schrift: Der Kampf ums Dasein am Himmel, Günther, Leipzig 1882.<br />
168 Ebd.: S. IV.<br />
169 Ebd.<br />
170 Ebd.<br />
171 Du Prel, Carl: Wie ich Spiritist geworden bin, in: Die Zukunft, Bd. 2, 1893: S. 356, auch in: Der Spiritismus, 1893.<br />
172 Du Prel, Carl 1893: S. 356 f.<br />
173 Baer, Ernst von: Welche Auffassung der lebenden Natur ist die richtige? [Vortrag] In: Reden gehalten in wissenschaftlichen<br />
Versammlungen und kleinere Aufsätze vermischten Inhalts. St. Schmitzdorff, Petersburg 1864.<br />
174 Vgl.: Du Prel, Carl: Wie ich Spiritist geworden bin, in: Die Zukunft: S. 357 f.