Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
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Männer oder Frauen sind. Eindeutig. Ich versuch das dann schon, gerade mit denen in den<br />
Anfangsemestern, für die es wirklich ein neues Thema ist, sich überhaupt damit auseinander zu<br />
setzen, sie also zum Beispiel nach ihrem eigenen Selbstverständnis hinsichtlich ihres Geschlechts zu<br />
befragen. Also eben genau die Frage zu stellen sozusagen, was ist das erste, was ihnen einfällt, wenn<br />
sie über sich nachdenken, ist das männlich oder weiblich und was bedeutet das, also welchen<br />
Stellenwert hat das. Oder sie auch zu fragen, ob sie selber da<strong>von</strong> ausgehen, dass es nur Männer und<br />
Frauen [gibt]. Also eher auch dieses Alltagswissen Alltagsverständnis über Geschlecht zu befragen<br />
sozusagen zugänglich zu machen. Und selber - ich meine - wieweit mir das gelingt, weiß ich nicht,<br />
dann auch in der Art und Weise wie ich meine Studierenden adressiere, also die Offenheit dafür zu<br />
belassen, dass da vielleicht welche sein könnten, die sich zum Beispiel nicht eindeutig als das eine<br />
oder das andere identifizieren. Wobei das in der Tat hier in Potsdam eher selten vorkommt. Also da<br />
hat man in den Berliner Seminaren meinetwegen sozusagen eine größere Wahrscheinlichkeit, dass da<br />
auch eine Vielfalt <strong>von</strong> geschlechtlichen Identifikationen vertreten ist. Das ist hier [in Potsdam] nicht<br />
unbedingt der Fall. Aber ich versuche trotzdem ein Bewusstsein dafür her zu stellen, dass das eine<br />
Realität ist, dass nicht alle eindeutig Männer oder Frauen sind und dass es darin eine große<br />
Bandbreite gibt, was man darunter versteht oder verstehen kann.<br />
A: Wie reagieren die Studierenden auf so eine Frage 'Wie verstehen sie sich selbst?' oder so?<br />
SH: Oft ist es erstmal so, dass es irgendwie eine Verwunderung darüber gibt, dass sie gar nicht<br />
wissen, wieso das jetzt ne Frage sein kann. Und dann aber, wenn sie anfangen sollen darüber zu<br />
sprechen und darüber nachdenken, dass sie dann schon auch dahin kommen, aja, so<br />
selbstverständlich ist das jetzt gar nicht. Es kommt auch häufig vor, wenn es gelingt, dass sie relativ<br />
spontan darauf antworten, fällt ihnen zum Beispiel auf, dass das für viele gar nicht das erste ist, was<br />
ihnen zu sich einfällt. Natürlich kann das einerseits Hinweis darauf sein, wie selbstvergessen<br />
Geschlecht ist, also wie naturalisiert das irgendwie vielleicht irgendwie noch ist, aber andererseits<br />
dann durchaus auch ein Impuls sein kann darüber nachzudenken, vielleicht ist es tatsächlich nicht<br />
das, wo<strong>von</strong> wir meinen, dass es immer das Grundlegendste ist, wie wir uns identifizieren und<br />
verstehen.<br />
A. Da käm' ich zuerst doch zu Frage 5, die würde da jetzt gut passen: Muss Geschlecht 'dethematisiert'<br />
werden, um den Kategorien zu entkommen?<br />
SH: Ja, die Frage ist, wie man das macht. Also eben ist dethematisieren nicht mehr darüber sprechen,<br />
aber wie spricht man dann darüber dass es ne Relevanz hat. Abgesehen da<strong>von</strong>, dass es mein Beruf<br />
ist, dass ich darüber spreche, ist es ne schwierige Frage. Also mit fortgeschrittenen Studierenden kann<br />
man natürlich die die theoretischen Diskussionen, die es dazu gibt, ziemlich gut führen. Da ist meine<br />
Erfahrung schon, dass man dann mit denen genau diese Reifizierungsproblematik diskutieren kann.<br />
Und aber auf einer Metaebene geht das mit Studierenden, mit Hauptstudierenden zum Beispiel ist das<br />
ziemlich unproblematisch das theoretisch zu verhandeln. Für die Soziologie ist es immer deswegen<br />
eine komplizierte Frage, weil die Soziologie den Anspruch hat eben auch <strong>von</strong> ich sag jetzt mal <strong>von</strong> der<br />
Institutionalisiertheit <strong>von</strong> Geschlechterverhältnissen zu sprechen, <strong>von</strong> institutionell verfestigten<br />
Ungleichheitsstrukturen - Wo man wenn man Ungleichheit thematisieren will gar nicht drum herum<br />
kommt, <strong>von</strong> Geschlecht zu sprechen und sich damit auf der anderen Ebene natürlich genau das<br />
Problem einhandelt, dass man damit wiederum Geschlecht thematisieren muss - sozusagen<br />
verdinglicht. Aber ich glaube man muss versuchen irgendwie so ein Wechselspiel zu finden. Zwischen<br />
der Thematisierung und dem Versuch darauf zu reflektieren wie man es thematisiert und dass<br />
sozusagen jede Thematisierung, sei sie noch so kritisch, immer auch einen Moment der<br />
Fortschreibung hat. Der einzige Weg, den ich sehe, ist eben über die Mühe der Reflexion.<br />
A: Ich denk mir, das ist gerade in der Soziologie sehr schwierig, weil es darum geht, die Unterschiede<br />
zwischen den zwei Kategorien heraus zu streichen.<br />
SH: Genau, aber ich denke theoretisch ist es erstmal wichtig die verschiedenen Ebenen zu<br />
unterscheiden. z.B. wie gesagt, wenn man <strong>von</strong> der Institutionalisiertheit <strong>von</strong> Geschlechterverhältnis, in<br />
Strukturen gewordene Ungleichheiten, praktische Benachteiligung <strong>von</strong> Frauen oder was auch immer<br />
es sein könnte, zu sprechen, das zu unterscheiden <strong>von</strong> dem Moment der Konstruktion <strong>von</strong> Geschlecht,<br />
also wenn wir mal mit der diskursiven Wende mitgehen, dass jedes Sprechen natürlich auch eine Re-<br />
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