Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
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6.5. Die Fokussierung <strong>von</strong> Geschlechter-Grenz-Situationen<br />
Einen ähnlichen Ansatz vertritt Güting (2004), die vorschlägt, Situationen, in denen<br />
Geschlecht explizit zum Thema wird, als Ausgangspunkt für Reflexion und Diskussion zu<br />
nehmen.<br />
Güting geht <strong>von</strong> einer Konstruiertheit <strong>von</strong> Geschlecht aus, deren Hauptaspekte in der<br />
interaktiven Herstellung und im Spannungsfeld Individuum - gesellschaftliche Normen, in<br />
diesem Fall in der Kultur der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong>, liegen. Menschen müssen a) eindeutig<br />
zu einem der beiden Geschlechter zuordenbar sein und b) andere Personen schnell und<br />
eindeutig zuordnen können (vgl. Güting 2004:163). Eine zentrale Schnittstelle zwischen der<br />
Kultur der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> und dem Individuum sieht sie "in der Verknüpfung <strong>von</strong> der<br />
Geltung individueller Geschlechtszughörigkeit und der sozialen Existenz einer Person."<br />
(Güting 2004:164) Die Geschlechtszugehörigkeit bzw. Geschlechtsgeltung ist eng mit der<br />
gesellschaftlichen Existenz - der Akzeptanz als Gesellschaftsmitglied - verbunden.<br />
An Hand einer umfangreichen ethnographischen Feldstudie, in der sie Interaktionssituationen<br />
zwischen SchülerInnen untereinander und SchülerInnen und LehrerInnen beobachtete, zeigt<br />
sie Situationen auf, in denen Geschlecht explizit thematisiert und problematisiert wird. Die<br />
Thematisierung <strong>von</strong> Geschlechtszugehörigkeit geschieht meistens a) als Infragestellung b)<br />
der Geschlechtsgeltung <strong>von</strong> Jungen und gehen c) mit einer Diffamierung dieser einher. Der<br />
Diskurs der Transsexualität ist in solchen Zusammenhängen mittlerweile alltäglich - dennoch<br />
negativ konnotiert (vgl. Güting 2004:171f). Zur Illustration ein Beispiel: Ein Bub weint und<br />
wird <strong>von</strong> anderen mit den Worten 'Peter ist ' ne Petra' gehänselt. Da es einem Bub eigentlich<br />
nicht gestattet ist in der Öffentlichkeit zu weinen, da es sich dabei um ein Verhalten handelt,<br />
das üblicherweise Mädchen zugeschrieben wird, wird in Folge dieses unerlaubten Verhaltens,<br />
die Geschlechtszugehörigkeit des Jungen in einer abwertenden Art in Frage gestellt.<br />
"Das Wissen um die Situationen, in welchen in schulischen Interaktionen <strong>von</strong> Jugendlichen und Lehrkräften<br />
Grenzen des Möglichen gezogen werden, kann dazu beitragen, solche Grenzen auszuweiten. In diesem<br />
Sinne ist die kulturelle Bedeutung der Geschlechtsgeltung und ihre Handhabung ein Aspekt der Konstruktion<br />
<strong>von</strong> Geschlechtszugehörigkeit, dem zukünftig mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte." (Güting<br />
2004:175)<br />
6.5.1. Explizites Thematisieren<br />
Obwohl Situationen selten sind, in denen beispielsweise die Geschlechtszugehörigkeit eines<br />
Kindes/Jugendlichen in Frage gestellt wird, stellen eben diese für Güting eine Chance dar,<br />
bestehende Grenzen auszuweiten. Ausgehend <strong>von</strong> real stattfindenden Ereignissen sieht sie<br />
konkrete Handlungsmöglichkeiten darin, für solche Ereignisse sensibel zu werden, diese mit<br />
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