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Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth

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In der Biologie findet die Geschlechtsbestimmung auf chromosomaler, gonodaler<br />

(Keimdrüsen betreffend), hormonaler und morphologischer Ebene statt. Die unterschiedlich<br />

starke Ausprägung der einzelnen Kriterien führt dazu, dass eigentlich nicht <strong>von</strong> Mann oder<br />

Frau, welche die konstruierten Idealtypen darstellen, gesprochen werden kann, sondern <strong>von</strong><br />

einem Kontinuum (vgl. Christiansen 1995), einer Verlaufslinie <strong>von</strong> Geschlecht, in die sich die<br />

Menschen einreihen. Dennoch arbeiten gerade (Bio)Medizin und Psychologie an der<br />

Aufrechterhaltung der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong>. Die eindeutige Zuordnung spätestens nach der<br />

Geburt zu einem der beiden Geschlechter ist nicht immer eindeutig möglich, zum Beispiel<br />

müssen die medizinischen Kriterien (Hormonstatus, Chromosomen etc.) für ein Geschlecht<br />

nicht mit dem äußeren sichtbaren biologischen Geschlecht übereinstimmen. Dies resultiert<br />

fast immer in operativen und/oder hormonellen Eingriffen zwecks Einordnung in eines der<br />

beiden Geschlechter. Die Entscheidung, ob ein geschlechtlich nicht eindeutig zuordenbarer<br />

Säugling zu einem Jungen oder einem Mädchen 'gemacht' wird, hängt da<strong>von</strong> ab ob eine<br />

Vagina oder ein Penis chirurgisch leichter umsetzbar ist. 12 Der Erfolg der Behandlung wird an<br />

der Penetrierbarkeit bzw. der Penetrierfähigkeit gemessen.<br />

"Unser spezifisches Sex-Gender System definiert sich über zwei kulturelle Geschlechter (Gender), die an<br />

zwei distinkte Körper geheftet sind und die ein komplementäres Verhaltensmuster haben, d.h. die sich zu<br />

bi-polaren und gegeneinander hierarchisierten Sozialcharakteren ergänzen. Die Sexualaktfähigkeit<br />

verkörpert demnach eine symbolische Praxis, die Di-Morphismus mit Komplementarität verbindet, und damit<br />

die 'Richtigkeit' und Unabweisbarkeit der kulturellen Konstruktion geschlechtlich definierter Machtasymetrie<br />

verkörpert." (Dietze 2003:25)<br />

Intersexualität als 'Krankheit' stabilisiert das System, die Tatsache jedoch, dass es Körper<br />

gibt, die nicht eindeutig kategorisierbar sind, fordert das System <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong><br />

heraus. Die immer stärker werdenden Intersex-aktivistischen Communities fordern die<br />

Akzeptanz der Gesellschaft für Personen 'zwischen den Geschlechtern' als Teile des<br />

morphologischen Kontinuums der Menschheit (vgl. Butler 2004:4); deren Leben sei genauso<br />

lebenswert wie jenes 'normaler' Menschen.<br />

Über die normative heterosexuelle Praxis wird also das System der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong><br />

hergestellt und aufrechterhalten. Dieser Machtzusammenhang wird durch die Ideologie der<br />

Geschlechterkomplementarität, durch die Einordnung der Positionen des Weiblichen in eine<br />

Ergänzungslogik - d.h. Frau ist das Andere, das Gegenstück zu Mann - verschleiert.<br />

12 Die vorherrschende chirurgische Praxis hat sich historisch gesehen gewandelt. Bis zum 18. Jahrhundert wurden Intersexuelle<br />

entsprechend der vorherrschenden Mehrwertvorstellung des Mannes 'in-dubio-pro-masculo' - im Zweifelsfall zum Mann -<br />

operiert, seit den 1940er Jahren fällt die Zuordnung und Anpassung, je nachdem welches Geschlecht sichtbar besser<br />

ausgebildet ist, aus (vgl. Dietze 2003:25). Die aktuelle Praxis ist <strong>von</strong> Klinik zu Klinik unterschiedlich - eine<br />

Feminisierungstendenz ist jedoch feststellbar. Nicht nur ob der chirurgischen Durchführbarkeit "it's easier to make a hole than<br />

to build a pole" (Reiter 1998) - sondern auch weil es in der Gesellschaft für Frauen leichter als für Männer sei, wenn diese<br />

genital-funktionell einschränkt sind (vgl. Reiter 1998).<br />

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