Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
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1.2.2. Die Herstellung <strong>von</strong> <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> als aktive Handlung<br />
"(O)ur society (...) is populated by two sexes and only two sexes, 'male' and 'female'. (...) The members<br />
(...) of that population, are essentially, originally, in the first place, always have been, and always will be,<br />
once and for all, in the final analysis, either 'male' or 'female'." (Garfinkel 1984:122)<br />
Aus ethnomethodologischer Sicht zeigt Garfinkel an seiner Fallstudie über die transsexuelle<br />
Agnes die interaktive Prozesshaftigkeit der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong>. Vergleichbar mit<br />
poststrukturalistischen Theorien zur <strong>Dekonstruktion</strong> 6 <strong>von</strong> <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> wird auch in<br />
ethnomethodologischen Studien versucht fixe Realitäten prozessual aufzulösen (vgl.<br />
Lindemann 1994). Wie Garfinkel (1984:116ff) 1967 an Hand dieser Fallstudie darstellen<br />
konnte, lautet unser gesellschaftlicher Vertrag, dem wir nicht entkommen können, in etwa<br />
wie folgt: Alle Menschen sind entweder männlich oder weiblich, und das ihr Leben lang. Ein<br />
Wechseln zwischen den Geschlechtern ist nur in Ausnahmefällen (in unterschiedlichen<br />
Kulturen als Rituale, als Bühnenperformance) und in zeitlich begrenzten Räumen möglich.<br />
"Our society prohibits willfull or random movements from one sex status to the other. It insists that such<br />
transfer be accompanied by well-known controls that accompany masquerading, play-acting, party<br />
behaviour, convention behaviour, spying, and the like. (...) The person is expected 'after the play' to 'stop<br />
acting'. On the way home from the party the person may be reminded that the party 'is over', and that he<br />
should conduct himself like the person he 'really is'." (Garfinkel 1984:125)<br />
In der mikrosoziologischen Fallstudie Agnes zu der Thematik des 'Passings' - des<br />
'Durchgehens' als ein anderes als das biologisch 'natürliche' Geschlecht - hat Garfinkel<br />
ethnomethodologisch erforscht, welche Probleme sich einem Menschen stellen, der das<br />
sozial andere als sein biologisches Geschlecht lebt, und wie das sozial andere, das subjektiv<br />
erlebte eigentliche Geschlecht erlernt und performiert wird.<br />
Nicht-eindeutig einem der beiden Geschlechter zuordnungsfähige Menschen gelten als<br />
Ausnahme, als Fehler der Natur (vgl. Garfinkel 1984:124), als abnormal. Dem liegt die<br />
normative Annahme der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> zugrunde. Zu diesem Übereinkommen der<br />
Gesellschaft über die zweigeschlechtliche Verfasstheit der Welt, meint Garfinkel: "Sexuality<br />
as a natural fact of life means therefore sexuality as a natural and moral fact of life."<br />
(Garfinkel 1984:124, Hervorhebung im Original). Von jeder Person wird erwartet dem<br />
'richtigen Geschlecht' entsprechend zu agieren, sich zu verhalten, sich zu kleiden etc. und<br />
sich zu fühlen.<br />
6 <strong>Dekonstruktion</strong> bezeichnet mehr eine Praxis als eine Methode nach Jacques Derrida, die aus zwei Bewegungen besteht: der<br />
Umkehrung einer binären Logik und die Verschiebung der gesamten Logik. Ein unabschließbarer Prozess, da immer wieder<br />
binäre Logiken hervorgebracht werden. Die <strong>Dekonstruktion</strong> der Geschlechterdifferenz kann als ein Wi(e)derlesen im doppelten<br />
Sinne - als Erneut- und Gegenlesen - verstanden werden. Ziel ist die Subversion und das Sichtbarmachen vermeintlich<br />
natürlicher Identitäten als Produkte einer Identitätslogik.<br />
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