Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
vielen Situationen, in denen Geschlecht explizit zum Thema wird. Im konkreten Fall wählt der<br />
Lehrer einige Kinder für eine spezielle Aufgabe aus, die mit einer kurzfristigen<br />
Unterrichtsfreistellung verbunden ist. Viele Kinder sind interessiert und bekunden dies durch<br />
Aufzeigen. Auf die Frage eines Kindes, ob nun also Buben ausgewählt werden, verneint der<br />
Lehrer und betont die erforderliche Körperkraft als Auswahlkriterium. Hier wird ersichtlich,<br />
dass nicht nur die Autoritätsperson, sondern auch die Kinder selbst die Unterscheidung<br />
aufgrund <strong>von</strong> Geschlecht mitherstellen (vgl. Tervooren 2001:11ff). Andererseits stellt im<br />
selben Moment der Lehrer Geschlecht als etwas Kontingentes heraus, da er explizit nicht<br />
Jungen, sondern die Stärksten auswählen will. Er kappt also die herkömmliche Verknüpfung<br />
<strong>von</strong> Männlichkeit mit Stärke. Plötzlich beschließt dieser jedoch in diesem Fall doch nur Buben<br />
auszusuchen - das neue Auswahlkriterium ist nun Geschlecht - woraufhin sich nur mehr ein<br />
Mädchen meldet. Die plötzliche Änderung des Auswahlmodus ist ein Zeichen der<br />
Autoritätsausübung. Die Nichtbefolgung - das Mädchen meldet sich, obwohl zu diesem<br />
Zeitpunkt nur mehr Buben angefragt sind - kann auch als subversiver Widerstand gegen<br />
Geschlecht als Unterscheidungsmerkmal gelesen werden. Letztendlich wählt der Lehrer doch<br />
das Mädchen dazu aus, welches in der Klasse offensichtlich als sehr stark bekannt ist.<br />
"Als der Lehrer Ayten als Mädchen tatsächlich aufruft, führen alle beteiligten Akteure Geschlecht als etwas<br />
vor, als das es eigentlich nicht erscheinen sollte: als kontingent, über verschiedene, <strong>von</strong> allen "bewohnbare"<br />
Eigenschaften charakterisiert, die im Nachhinein zu einem naturalisierten Geschlechtscharakter<br />
zusammengefaßt werden." (Tervooren 2001:14)<br />
6.3.1. Geschlecht explizit nicht mit bestimmten Eigenschaften verknüpfen<br />
Anhand der analysierten Situation wird ersichtlich, dass traditionell männliche Eigenschaften<br />
- in diesem Fall Stärke - üblicherweise mit dem männlichen Geschlecht verknüpft werden und<br />
wie einfach Stereotype - <strong>von</strong> LehrerInnen wie <strong>von</strong> SchülerInnen - weitertransportiert<br />
werden. Weiters ist ablesbar, dass dem entkommen werden kann, wenn man herausstellt,<br />
dass bestimmte Eigenschaften nicht mit Geschlecht verbunden sind. Darin liegt m. E. die<br />
Chance in Unterrichtssituationen mit Geschlecht alternativ umzugehen: indem auf die<br />
geforderte Eigenschaft gezielt wird und diese explizit nicht mit Geschlecht verknüpft wird.<br />
Dadurch wird die Kontingenz <strong>von</strong> Geschlecht ersichtlich und SchülerInnen können lernen,<br />
dass es sich bei den dem Geschlecht zugeschriebenen Eigenschaften um Erfindungen zur<br />
Herstellung <strong>von</strong> Normen bzw. <strong>von</strong> Geschlecht an sich handelt.<br />
6.4. Dekonstruktiver Schulunterricht<br />
Francis (1998) stellt fest, dass die Gesellschaft trotz einiger sozialer Veränderungen, wie zum<br />
Beispiel dem Aufholen <strong>von</strong> Frauen in Bezug auf Ausbildung, nach wie vor<br />
59