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Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth

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Unsichtbar bleibt, dass es die dialektische Verschränkung <strong>von</strong> Natur und Kultur ist, die<br />

Männer und Frauen herstellt. Eben jene Unsichtbarmachung lässt die vorherrschende<br />

Konzeption der Welt (der Geschlechter, der Menschen) als Tatsache erscheinen und die Idee<br />

einer Hinterfragung gar nicht erst aufkommen.<br />

Die Ideologie <strong>von</strong> der Existenz zweier unterschiedlicher Geschlechtskörper und die<br />

dementsprechende natürliche oder soziale Arbeitsteilung sorgt für die Stabilität der<br />

männlichen Herrschaft. Um diese Stabilität nicht zu gefährden, werden Transsexuelle, früher<br />

auch Hermaphroditen 13 oder Zwitter genannt, über das medizinische Syndrom<br />

'Intersexualität' definiert und als geschlechtsuneindeutige Menschen meist medizinisch<br />

behandelt, um in eine der beiden Kategorien zu passen und das System nicht zu stören.<br />

Im Widerspruch zu oben erwähnten medizinischen Forschungsergebnissen über die Aspekte<br />

<strong>von</strong> Geschlecht steht die Medizin/Biologie selbst, die die Begründung für das System der<br />

<strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> erbringen sollte. Je weiter nämlich diese (medizinische Forschung)<br />

fortschreitet, je mehr (v. a. unsichtbare) Kriterien es für Geschlecht gibt 14 desto weniger wird<br />

eine eindeutige Zuordnung möglich, da dadurch die Idealtypen selbst ins Wanken geraten.<br />

Je mehr physische Kriterien es also für Geschlecht gibt, desto weniger 'richtige' Frauen und<br />

'richtige' Männer kann es geben.<br />

"In der Fahndung nach einer geschlechtseindeutigen Gewissheit vergrößert und erzeugt die medizinische<br />

Diagnostik eine allgemeine Ungewissheit und zerstört im Prinzip die Gewissheit überhaupt. Die Sex-Gender<br />

Dichotomie verliert auf diese Weise ihren 'operativen' Wert. " (Dietze 2003:35)<br />

Das heißt, dass die Medizin, die die Grundlage für die Naturhaftigkeit der<br />

<strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> zur Verfügung stellen sollte, ihr genau diese entzieht, indem die<br />

zunehmend detaillierte Erforschung der biologischen Kriterien für das Geschlecht zeigt, dass<br />

eine eindeutige Zuordnung eigentlich kaum möglich ist. Gerade wegen dieses Widerspruchs<br />

innerhalb der Erklärungslogik selbst wird an Hand der Intersexualität ein Exempel statuiert.<br />

Die chirurgische und hormonelle Behandlungspraxis <strong>von</strong> intersexuell Geborenen mit dem Ziel<br />

der Aufrechterhaltung des Systems der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> sowie der Heteronormativität<br />

(siehe Kapitel 4.) stützt und rechtfertigt die vorherrschende dualistische Machtasymmetrie<br />

(vgl. Dietze 2003:35). Diese Eingriffe bringen Abweichungen zum Verschwinden, machen<br />

diese Abweichungen unsichtbar (umso unsichtbarer als diese zunehmend unmittelbarer nach<br />

13 Hermaphrodit meint biologisch-medizinisch ein Lebewesen, das vollständig ausgebildete männliche und weibliche<br />

reproduktive Organe besitzt. Bei intersexuellen Personen jedoch ist dies nicht der Fall - die angeborenen Anomalien des<br />

reproduktiven Systems differieren <strong>von</strong> dem 'normaler' Frauen und Männer in unterschiedlichen Arten und Ausprägungen. Daher<br />

beansprucht Koyama (2003-2005) die Bezeichnung "People with intersex conditions".<br />

14 "Biologen [kennen] etwa 4000 Geschlechterkombinationen" (AGGPG 2002)<br />

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