Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
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"was aus der Umwelt herausgefiltert oder in sie hineinprojiziert werden musste, damit die angeborenen<br />
Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die es ja gibt, überhaupt irgendeine Bedeutung - in Wirklichkeit<br />
oder Vorstellung - bekommen konnten." (Goffman 2001:128)<br />
Für Goffman ist schlussendlich Geschlecht ein organisatorisches Hilfsmittel (vgl. Goffman<br />
2001:131), das den scheinbar erforderlichen Unterschied als solchen erst herstellt, wie er am<br />
Beispiel der üblichen Trennung <strong>von</strong> Toiletten, Umkleidekabinen, Kaufhausabteilungen und<br />
Turnunterricht darstellt (vgl. Goffman 2001: 132f).<br />
"Die Trennung der Toiletten wird als natürliche Folge des Unterschieds zwischen den Geschlechtern<br />
hingestellt, obwohl sie tatsächlich mehr ein Mittel zur Anerkennung, wenn nicht gar zur Erschaffung dieses<br />
Unterschieds ist." (Goffman 2001:134)<br />
Für Maihofer setzen die <strong>von</strong> Goffman beschriebenen institutionalisierten Genderismen das<br />
Doing Gender erst in Gang (vgl. Maihofer 2004:38). Sie zeigen auf, wie in sozialen<br />
Interaktionen geschlechtspezifisches Verhalten entsteht.<br />
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Geschlechtunterschiede hier als Merkmale<br />
sozialer Organisationen verstanden werden, die auf biologischen Unterschieden aufbauen,<br />
diese erweitern und ausweiten, zur Verfestigung der Geschlechterrollenstereotypen beitragen<br />
und in sozialen interaktiven Situationen hervorgebracht werden.<br />
2. Historizität <strong>von</strong> Konstruktionen<br />
2.1. Historische Entwicklung der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong><br />
In seinem für feministische Forschungen bedeutenden historischen Werk 'Making Sex'<br />
analysiert Thomas Laqueur Konzepte <strong>von</strong> Geschlecht, sexueller Differenz bzw. Beziehung<br />
zwischen Körper und sexueller Differenz in deren jeweiligen historisch-sozialen Kontexten mit<br />
den damals gültigen Konzeptionen - im Gegensatz zu ahistorischen Untersuchungen, die<br />
versuchen aktuell gültige Konzepte in der Vergangenheit auszumachen bzw. dieser<br />
überzustülpen. Die Ergebnisse seiner Untersuchung zeigen, dass das Verständnis <strong>von</strong> Körper,<br />
biologischem und sozialen Geschlecht zu unterschiedlichen Zeitpunkten gänzlich anders<br />
waren, als sie heute sind. Indem er die Entstehungsgeschichte <strong>von</strong> jeweils gültigen<br />
Konzeptionen (der Welt) aufzeigt, belegt er die Geschichtlichkeit und begrenzte Gültigkeit<br />
<strong>von</strong> scheinbar ursprungslosen, immer gültigen Konzepten.<br />
In Bezug auf den geschlechtlichen Körper spricht Laqueur vom Wechsel vom 'Ein-Geschlecht-<br />
Modell' - einer "Konstruktion eines eingeschlechtlichen Leibes mit seinen verschiedenen<br />
Versionen, [der] mindestens zwei politisch-soziale[n] Geschlechter[n] zugeschrieben wurden"<br />
(Laqueur 1992:33) - zum 'Zwei-Geschlechter-Modell'. Bis zum 18. Jahrhundert wurde der<br />
weibliche Körper als "die geringere Version des männlichen verstanden" (Laqueur 1992:10),<br />
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