Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
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In seiner Studie berichtet er <strong>von</strong> Agnes, einer Person, die anatomisch-biologisch nicht<br />
eindeutig einem der beiden Geschlechter zu zuordnen war, als Junge aufgezogen mit<br />
siebzehn Jahren beschließt als Frau zu leben, da sie sich immer schon als Frau fühlte, also<br />
bis dahin als das subjektiv falsche Geschlecht erzogen wurde und gelebt hatte. Die<br />
angestrebte Behandlung am Medical Center der University of California, Los Angeles - wo<br />
Garfinkel in regelmäßig stattfindenden Beratungsgesprächen sein Datenmaterial sammelte -<br />
führte zu einer Entfernung des Penis und der Herstellung einer Vagina.<br />
Der Großteil seines Werks 'Studies in Ethnomethodology' analysiert die Schritte und<br />
Verhaltensweisen, die erforderlich sind um als Frau zu gelten. Hier wird ersichtlich, dass es<br />
sich um einen interaktiven Prozess handeln muss: eine Person verhält sich, eine andere<br />
beobachtet, beurteilt und kategorisiert. Abgesehen <strong>von</strong> der Gefahr als nicht 'echt' entlarvt zu<br />
werden und den Schwierigkeiten, die ein Wechsel der Geschlechtsidentität mit sich bringt,<br />
wird das sonst unhinterfragte und scheinbar Natürliche an sozialen Situationen als interaktive<br />
Leistung - in diesem Fall im Sinne der Herstellung des sozialen Geschlechts - ersichtlich.<br />
Eben dies macht m. E. die Bedeutung dieses Werkes aus. Jene Personen, die sich bewusst<br />
für ein (anderes) Geschlecht entscheiden, haben einen besonderen Einblick in die soziale<br />
Herstellung <strong>von</strong> Geschlecht. Was für immer schon eindeutige und unhinterfragte Frauen und<br />
Männer "seen but unnoticed" (Garfinkel 1984:118) - sichtbar, jedoch unbemerkt - ist, stellt<br />
für transsexuelle Personen einen bewussten und intentionalen Prozess, ein bewusstes<br />
Handeln dar.<br />
Es wird erkennbar, wie allumfassend und allbedeutend Geschlecht als soziale Kategorie ist.<br />
Sonst völlig routiniertes Verhalten stellt für jene Menschen, die ihr 'neues' Geschlecht<br />
darstellen müssen, plötzlich eine aktive Leistung dar (vgl. Garfinkel 1984:118). Daran wird<br />
ersichtlich, dass wir nicht Männer oder Frauen sind, sondern unser Geschlecht performieren -<br />
handelnd herstellen.<br />
1.2.3. Soziale Konstruktion als 'Doing Gender'<br />
"The reason for gender categories and the constant construction and reconstruction of differences between<br />
them is that gender is an integral part of any social group's structure of domination and subordination and<br />
division of labour in the family and the economy. As a major social status (...), gender shapes the<br />
individual's opportunities (...)." (Lorber 1991:1f)<br />
Ähnlich wie Garfinkel haben West und Zimmerman 1991 ein ethnomethodologisches,<br />
soziologisches Verständnis <strong>von</strong> Gender als Routine, als methodische und wiederkehrende<br />
Leistung dargelegt um den Stellenwert des Akts der interaktiven Produktion <strong>von</strong> Gender<br />
herauszustellen.<br />
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