Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit - anita.a.mörth
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der Geburt stattfinden) und löschen die Realität intersexuell geborener Menschen zwecks<br />
Erhaltung des Systems der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> und Aufrechterhaltung der<br />
Heteronormativität aus. "Eine Allegorie der Penetration übernimmt hier als<br />
Semantisierungsmaschine die Fabrikation hierarchisierter Zweipoligkeit." (Dietze 2003:35)<br />
Eine Sichtweise <strong>von</strong> Intersexualität bzw. intersexuellen Körpern ist die, dass diese das<br />
Konzept der <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> und somit die Geschlechtlichkeit jedes Identitätskonzepts<br />
grundlegend herausfordern. Das medizinische Auslöschen jener Merkmale, die Menschen<br />
nicht eindeutig einordenbar in unser binäres System <strong>von</strong> Mann und Frau machen, geschehen<br />
aus rein systemerhaltenden Gründen. Die Einführung eines 'Dritten Geschlechts' würde nicht<br />
nur die Vielfalt intersexueller Personen reduzieren sondern auch die zugrunde liegende<br />
Problematik - den Einordnungszwang in Kategorien - nicht lösen. Auch mehr als drei<br />
Kategorien würden wenig nutzen 15 , wie Ann Fausto-Sterling meint. Sinnvoller wären die<br />
Akzeptanz und die Freude am Kontinuum um den Kategorien zu entkommen (vgl. Fausto-<br />
Sterling 2003:92). Die Einführung eines dritten (oder vierten oder noch weiteren)<br />
Geschlechts würde das binäre System nur stabilisieren. "'Thirdness' merely balances the<br />
binary system and, furthermore, tends to homogenize many different gender variations<br />
under the banner of 'other'." (Halberstam 2003:28)<br />
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass diese 'Korrektur' <strong>von</strong> Menschen nicht aus<br />
medizinisch-gesundheitlichen Gründen geschieht. Es geht nicht um die Korrektur eines<br />
Fehlers der Natur, um eine Re-konstruktion des Geschlechts, sondern um eine Konstruktion,<br />
eine Herstellung des Geschlechts, einer "Kopie ohne Original", wie Dietze (2003:26) dies<br />
nennt. Es handelt sich um eine erfolgreiche Täuschung, die uns glauben macht, dass die<br />
<strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> schon immer in der Form da war, wie wir sie heute kennen.<br />
"Herculines 16 Anatomie fällt nicht aus den Kategorien des Sexus heraus, sondern bringt deren konstitutive<br />
Elemente durcheinander und teilt sie neu auf. Dieses freie Spiel der Attribute bewirkt, dass sich die<br />
Bestimmung des 'Sexus' als unvergängliches, substantivistisches Substrat, dem die verschiedenen Attribute<br />
anhaften sollen, als Illusion enthüllt." (Butler 1991:151)<br />
An Hand des vorherrschenden Umgangs mit 'systemstörenden' intersexuell geborenen<br />
Menschen kann also beobachtet werden, dass Heterosexualität und <strong>Zweigeschlechtlichkeit</strong> in<br />
einem engmaschigen Machtnetz miteinander verstrickt sind.<br />
15 Fausto-Sterlings Plädoyer für fünf Geschlechter in 'The Five Sexes: Why Male and Female Are Not Enough' (1983) wurde in<br />
der Rezeption oft als ernst gemeinter Vorschlag verstanden, wollte jedoch lediglich ein "Denken jenseits <strong>von</strong> zwei" (Fausto<br />
Sterling 2003:90f) ermöglichen; eine reine Erweiterung des Kategoriensystem löst die Probleme, die sich aus der<br />
Differenzierung ergeben, nicht (vgl. Fausto-Sterling 2003).<br />
16 Butler bezieht sich auf die Biographie des transsexuellen Herculin Barbins, die <strong>von</strong> Michel Foucault verfasst wurde.<br />
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