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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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104<br />

PULSSCHLAG<br />

sich NGOs an den sozialen <strong>Bewegungen</strong>, so<br />

entsteht der Eindruck, sie seien institutionalisierte<br />

Teile einer Bewegung. Organisatorisch<br />

orientieren sie sich jedoch an Verbänden. Tendenzen<br />

des professionellen, hierarchisch strukturierten<br />

Effizienzdenkens innerhalb der NGOs<br />

vergrößern zudem die Distanz zu den ihnen<br />

inhaltlich nahestehenden sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

(Wahl 1996: 43). Markante Unterschiede zur<br />

Lobbyarbeit der Verbände und zu Aktions- und<br />

Rekrutierungsformen sozialer <strong>Bewegungen</strong> entwickeln<br />

NGOs erst auf dem internationalen<br />

Parkett. Bewegte sich eine NGO gerade noch<br />

als Akteur im Sektorenmodell neben Markt<br />

und Staat im nationalen intermediären Raum,<br />

so wandelt sie sich ohne Veränderung der Organisationsstruktur<br />

zum ,global player', sobald<br />

sie die internationale Bühne betritt. Ansprechpartner<br />

sind jetzt Staaten, zwischenstaatliche<br />

Organisationen und weltweit tätige Unternehmen<br />

(Ronge 1997: 258).<br />

Dieser Quantensprung im Vergleich zu den<br />

Möglichkeiten von sozialen <strong>Bewegungen</strong> oder<br />

Interessenverbänden weist aber gleichzeitig auf<br />

ein entscheidendes Defizit der NGOs hin: Eine<br />

strukturell fehlende demokratische Legitimation<br />

der NGOs. Sie können lediglich Akzeptanz<br />

durch eingeworbene Spenden und kontinuierlich<br />

bewiesene Fachkompetenz erlangen. Dies<br />

ähnelt eher den Marktprozessen einer „direkten<br />

Konsumentendemokratie" (Beck 1996:<br />

145), die nicht der öffentlich-politischen Meinungsbildung<br />

unterworfen sind. Dieses Legitimationsdefizit,<br />

hervorgerufen durch straffe hierarchische<br />

Organisationsstrukturen (z.B. Greenpeace),<br />

elitäre Mitgliedschaft (z.B. WWF) oder<br />

durch universellen Geltungsanspruch ihrer Forderungen<br />

(z.B. amnesty international), wirkt<br />

sich unmittelbar auf die Funktionen und mögliche<br />

Einflußnahme der NGOs in der intermediären<br />

Sphäre aus. Können sie auf lokaler Ebene<br />

aufgrund der direkten Beziehung zu ihrem<br />

Unterstützerklientel noch auf unmittelbare Einbeziehung<br />

in EntScheidungsprozesse hoffen, 2<br />

FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 11, HEFT 4,1998<br />

so sinkt mit jeder höheren Stufe der politischen<br />

Entscheidungsfindung die Möglichkeit<br />

zur unmittelbaren Einflußnahme. In internationalen<br />

Zusammenhängen, wie der Europäischen<br />

Union oder der UNO, kann keine NGO<br />

ihre Anliegen demokratisch rechtfertigen.<br />

Die von der Basis abgenabelte Position der<br />

NGOs in den internationalen Organisationen<br />

führt nicht zu mehr Einflußmöglichkeiten zur<br />

Durchsetzung ihrer Interessen, sondern vielmehr<br />

werden fehlende Macht- und Einflußmöglichkeiten<br />

zunächst zum Türöffner in diese<br />

internationalen Foren hinein. Das hier herrschende<br />

Prinzip der nationalstaatlichen Interessenvertretung<br />

wird durch die Anwesenheit<br />

der nichtstaatlichen Quereinsteiger sogar weiter<br />

verfestigt (Dittmar 1995: 10). Denn die<br />

NGOS können von den Regierungsorganisationen<br />

dazu instrumentalisiert werden, die Akzeptanz<br />

getroffener Entscheidungen zu steigern,<br />

indem sie durch ihre Anwesenheit den nationalstaatlich<br />

geprägten Vereinbarungen einen<br />

partizipatorischen, demokratischeren Anstrich<br />

verleihen. Bezeichnend hierfür ist die vergleichsweise<br />

bedeutsame Rolle der NGOs in<br />

der UNO, die die Mitwirkung der NGOs dazu<br />

nutzt, die Abhängigkeit der Exekutive von den<br />

führenden Nationalstaaten durch ein eigenständiges<br />

Beratungssystem weltweit agierender<br />

NGOs auszugleichen.<br />

Die mangelnde Legitimation in den Vorhöfen<br />

der Macht, ohne Aussicht in tatsächliche Entscheidungspositionen<br />

vorzudringen, degradiert<br />

die NGOs zu Hofnarren der Weltgesellschaft.<br />

Beeinflussende Interessenvermittlung durch die<br />

NGOs bleibt nur da möglich, wo als konkrete<br />

Gegenleistung eine adäquate Problemlösungsstrategie<br />

angeboten wird. Mit dem Verweis auf<br />

ihre fachliche Kompetenz wird den NGOs dann<br />

die Vorbereitung und Umsetzung von Entscheidungen<br />

angeboten. Umgekehrt können diese<br />

von den NGOs getragenen Entscheidungen<br />

durch deren moralische Integrität mit dem<br />

Stempel der ethischen Vertretbarkeit versehen

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