Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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HAUPTBEITRÄGE<br />
also die Beziehungen zwischen Ungleichheiten,<br />
unbefriedigten Forderungen, Diskriminierungen<br />
und sozialen Spannungslinien und dem<br />
Ausmaß des Protestes und gewaltsamen Konfliktes<br />
ausmache, durch die nachhaltige Entwicklung<br />
des Ansatzes der Ressourcenmobilisierung,<br />
zumal in Kombination mit der Theorie<br />
der politischen Gelegenheitsstruktur - heute<br />
nicht mehr haltbar ist.<br />
Ein entscheidender Unterschied zwischen Erklärungsansätzen<br />
relativer Benachteiligung<br />
und der Ressourcenmobilisierung besteht in<br />
der Frage, ob eine Theorie der Motivation für<br />
die Erklärung sozialer Proteste überhaupt notwendig<br />
ist und, wenn ja, ob sie eine zentrale<br />
Rolle einzunehmen hat. Anhänger der Ressourcenmobilisierungstheorie<br />
würden beide<br />
Fragen tendenziell eher mit Nein beantworten.<br />
So „tendiert [die Theorie der relativen<br />
Benachteiligung; d.V.] dazu, die Beziehungen<br />
zwischen Deprivation und nachfolgendem<br />
Verhalten zu vereinfachen" (Gumey/Tierney<br />
1982: 40), da „die besondere Dynamik<br />
und der organisatorische Prozeß, der sich in<br />
einem gegebenen sozialen Umfeld abspielt,<br />
die Natur der Konfliktsequenz qualitativ verändern<br />
kann" (Bowers et al. 1980: 478). Relative<br />
Benachteiligung mag noch nicht einmal<br />
eine notwendige Bedingung für Aktivitäten<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> darstellen, da das<br />
Ausmaß relativer Benachteiligung erheblich<br />
unter den Teilnehmern variieren kann, was<br />
sich aber wohl kaum direkt im Ausmaß ihres<br />
unterschiedlich starken Engagements für eine<br />
Bewegung spiegelt. Auch kann das Ausmaß<br />
relativer Benachteiligung bei Personen erheblich<br />
höher sein, die nicht Mitglied entsprechender<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> sind (Gurney/<br />
Tiemey 1982: 38). Für eine angemessene Analyse<br />
wären also Stadien der Benachteiligung<br />
oder Nichtbenachteiligung in der nichtmobilisierten<br />
wie der mobilisierten Bevölkerungsmenge<br />
detailliert in ihren Auswirkungen auf<br />
EKKART ZIMMERMANN<br />
Partizipationsmuster und organisatorische<br />
Handlungen zu analysieren. Auch müßten sich<br />
Veränderungen im Ausmaß der relativen Benachteiligung<br />
direkt in erhöhtem oder verringertem<br />
Engagement für eine soziale Bewegung<br />
und innerhalb derselben äußern. Kurzum:<br />
gefragt ist nach einer Mehrvariablenanalyse<br />
des Einflusses relativer Benachteiligung<br />
und anderer Einflußgrößen auf die Partizipationsmuster<br />
und ihre Intensität (Webb et al.<br />
1983: 313). Auch kann umgekehrt das Ausmaß<br />
relativer Benachteiligung erst durch Teilnahme<br />
an einer sozialen Bewegung bewußt<br />
oder in erhöhtem Maße deutlich werden (Zald/<br />
McCarthy 1979: lf).<br />
Theoretiker der Ressourcenmobilisierung bauen<br />
auf die Nutzen-Kosten-Perspektive bei der<br />
Analyse (a) des Angebots von Organisationen<br />
oder organisatorischen Ressourcen und<br />
individuellen Organisierem bzw. Führern und<br />
(b) des Wettbewerbs um Unterstützung bei<br />
potentiellen Sympathisanten; und sie betonen<br />
(c) die Bedeutung spezieller Anreize (Belohnung,<br />
Vorteile und Bestrafung), um das Problem<br />
des Trittbrettfahrens zu umgehen, das<br />
die Konsolidierung einer sich mobilisierenden<br />
Gruppe gefährdet (Olson 1965). Das von<br />
Olson aufgeworfene .Dilemma kollektiver<br />
Aktion' kann aus Sicht der Ressourcenmobilisierung<br />
eher gelöst werden. Die Deprivationstheoretiker<br />
unterstellen eine unmittelbare<br />
Beziehung zwischen Ausmaß der Entbehrung,<br />
Mobilisierungsbereitschaft und letztlich auch<br />
Mobilisierung. Folglich sagen sie dazu wenig<br />
Brauchbares. In der Theorie der Ressourcenmobilisierung<br />
wird dagegen eher plausibel,<br />
warum besonders hochmotivierte Individuen<br />
die hohen Anfangskosten während der Entstehung<br />
einer sozialen Bewegung nicht scheuen:<br />
sei es, daß sie hochgradig ideologisch für<br />
eine solche Bewegung motiviert sind oder sich<br />
besondere Führungspositionen von einem<br />
frühzeitigen Engagement versprechen. Sym-