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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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52<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

Handlungspotential über die Thematisierung<br />

des Gewalttopos im Sinne der Framing-Analyse<br />

dürfte zum empirischen Grenzfall sozialer<br />

<strong>Bewegungen</strong> gehören. Sie würden damit auf<br />

das Terrain ,revolutionärer', ,terroristischer'<br />

oder schlicht .krimineller' Akteure geraten -<br />

für das Konzept sozialer <strong>Bewegungen</strong> scheint<br />

programmatische Gewaltlosigkeit konstitutiv<br />

zu sein.<br />

Viertens: Diese Überlegungen bedeuten jedoch<br />

nicht, daß die Gewalt folgenlos für Fragen und<br />

Probleme der Mobilisierung sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

ist. Das Gegenteil ist der Fall, wie sich<br />

insbesondere aus der Tatsache ergibt, daß das<br />

Konfliktgeschehen zwischen sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

und ihren Adressaten regelmäßig begleitet<br />

ist von wechselseitigen Gewaltvorwürfen.<br />

Mobilisierend für soziale <strong>Bewegungen</strong> ist<br />

Gewalt als erlittene, u.U. als abwehrende und<br />

als ,gerechte' Gewalt. Diese Formen und Erscheinungsweisen<br />

von Gewalt lassen sich rahmenanalytisch<br />

nur schwer fassen. Vielmehr enthüllen<br />

sie nach unserer Ansicht eher ein unterkomplexes<br />

Modell der Framing-Perspektive bezüglich<br />

der Beziehung von kollektivem Handeln<br />

und Gewalt. Diese Unterkomplexität besteht<br />

zum einen darin, daß der Framing-Ansatz<br />

die Entwicklung und das Auftreten der<br />

Gewalt zu handlungstheoretisch konzipiert, bis<br />

hin zur Unterschlagung der wesentlich interaktionistischen<br />

Genese der Gewalt. Zum anderen<br />

zeichnet die Framing-Perspektive einen<br />

kognitiven und intentionalen Überschuß aus.<br />

Fluchtpunkt und Modell brauchbarer Rahmen<br />

und erfolgreicher Rahmung sind kognitiv-ideologisch<br />

ausgearbeitete Systeme, die Personen<br />

zu kollektiven Akteuren und Aktivitäten bündeln,<br />

die die erforderlichen Rahmungen diagnostischen,<br />

prognostischen und motivationalen<br />

Zuschnitts ermöglichen und besorgen; so<br />

sieht etwa der Prototyp oder die Modell-Bewegung<br />

der Framing-Analyse aus. Stattdessen<br />

ist für die Analyse der Beziehung der einzel-<br />

REINHARD KREISSIVFRITZ SACK<br />

nen Akteure im Kontext kollektiver Gewalt und<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong> auf latente, latent gehaltene,<br />

ambivalente, situative und sonstwie gebrochene<br />

Intentionalitäten zurückzugreifen. Intentionalitäten,<br />

die sich auf gelebte Mentalitäten,<br />

spontane Gemeinschaftlichkeit, diffuse Gesellschaftsbilder<br />

und unartikulierte und ausgelebte<br />

Körperlichkeit statt auf explizite Ideologien<br />

stützen: Dieser Unterscheidung könnte auf<br />

der Akteursebene die zwischen politisch rechten<br />

und linken sozialen <strong>Bewegungen</strong> entsprechen.<br />

Für die meisten sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />

mag außerdem gelten: Kognitive und programmatische<br />

Ablehnung von Gewalt koexistiert mit<br />

der Bereitschaft, sie zu akzeptieren und sie<br />

situativ einzusetzen.<br />

Fünftens: Eine letzte Anmerkung zum Framing-<br />

Konzept ist ethnomethodologischer Art: ,How<br />

to do framing?' Viele unserer Überlegungen<br />

und Befunde zeigen die enge Verzahnung von<br />

Gewaltdiskursen und ihren gesellschaftlichen<br />

Wirkungen. Master frames lassen sich nur bis<br />

zu einem gewissen Grad aus der Position des<br />

distanzierten Beobachters beschreiben und analysieren.<br />

Sie lassen sich nicht auf den Status<br />

abstrakter Deutungsmuster reduzieren, als solche<br />

identifizieren, vor allem lassen sie sich<br />

nicht als solche hantieren. Vielmehr entfalten<br />

sie ihre Wirkung auf performative Weise,<br />

gleichsam in ihrer Anwendung, als ,second<br />

code', dessen Wirksamkeit bekanntlich davon<br />

abhängt, daß der Code als solcher verborgen<br />

bleibt.<br />

Dieser Gesichtspunkt spielt insbesondere für<br />

die antagonistische Rahmung eine zentrale Rolle:<br />

Die demobilisierende Rahmung der Träger<br />

und der Aktivitäten sozialer <strong>Bewegungen</strong> mittels<br />

der Gewalt geschieht empirisch in der Regel<br />

nicht durch den gewollten Einsatz von Gewalt<br />

durch die sozialen <strong>Bewegungen</strong> selbst,<br />

sondern durch die erfolgreiche Zurechnungsaktivität<br />

seitens ihrer Adressaten.

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