Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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HAUPTBEITRÄGE<br />
3 ZurTragfähigkeit der Theorie<br />
3.1 Kulturelle Heterogenität und<br />
soziale Differenz<br />
Die historische Herausforderung europäischer<br />
Nationalstaaten ist das Nebeneinander von sich<br />
universalistisch denkenden nationalen Identitäten<br />
gewesen. Die aktuelle Herausforderung<br />
dieser Gesellschaften ist transnationale Migration<br />
und die damit verbundene ethnische Differenzierung<br />
nationalstaatlich konzipierter Gesellschaften.<br />
Die kulturelle Heterogenisierung<br />
nationalstaatlich organisierter Gesellschaften<br />
hat dieses Problem der Koordination von Nationalstaaten<br />
in einer europäischen Gesellschaft<br />
radikalisiert. Zur Zivilisierung der Effekte nationaler<br />
und nationalistischer <strong>Bewegungen</strong>, die<br />
heute mit der europäischen Einigung einen<br />
strukturellen Abschluß findet, treten heute Identitätsdifferenzen<br />
innerhalb dieser Nationalstaaten,<br />
die sich mit transnationalen Identitätsdifferenzen<br />
verbinden. Ethnische <strong>Bewegungen</strong>,<br />
fundamentalistische <strong>Bewegungen</strong>, neonationale<br />
<strong>Bewegungen</strong> erklären das Feld des Kampfes<br />
um Identität zu einem realen Kampf, der zunächst<br />
und vor allem um Symbole geht. 15<br />
Beides<br />
sind Fälle der Mobilisierung kollektiver<br />
Identitäten, in denen sich immer zugleich auch<br />
das Problem der Zivilisierung der damit möglich<br />
gewordenen Gewalt stellt.<br />
Die Auseinandersetzung mit .problematischen'<br />
Minderheiten im öffentlichen Diskurs verweist<br />
darauf, daß ein Grad an gesellschaftlicher Konfliktualisierung<br />
kollektiver Identitäten erreicht<br />
ist, der ,Bewegungscharakter' angenommen<br />
hat. Dieser wird in den Fällen weiter gesteigert,<br />
in denen die Abgrenzung zum .Anderen'<br />
ausdrücklich zur ideellen Grundlage von politischer<br />
Mobilisierung durch kollektive Akteure<br />
gemacht wird; Fälle, die in der öffentlichen<br />
Auseinandersetzung als fundamentalistisch bezeichnet<br />
werden. An der Mobilisierung ethni-<br />
KLAUS EDER<br />
scher Minoritäten und der Gegenmobilisierung<br />
der Gastgesellschaften läßt sich nun die spezifische<br />
Logik von Identitätsmobilisierung zeigen.<br />
Der Anfang dieser Prozeßlogik ist die<br />
Emergenz von symbolischer Gewalt, die sozio-ökonomische<br />
und politische Gewalt substituiert.<br />
Das Ende dieser Logik besteht darin,<br />
daß Individuen nicht mehr einfach sozio-ökonomisch<br />
und politisch benachteiligt werden,<br />
also in einem System sozialer und politischer<br />
Ungleichheit piaziert werden, sondern daß sie<br />
als Angehörige einer Gruppe auch als Personen<br />
benachteiligt und unterdrückt werden.<br />
Exklusion stellt im Zusammenhang materieller<br />
wie symbolischer Gewalt nur den Grenzfall<br />
von Benachteiligung dar: Man gehört nicht<br />
mehr nur als Ungleicher, sondern gar nicht<br />
mehr dazu. Eine solche Form sozialer Exklusion<br />
(von ökonomischer Teilhabe wie politischer<br />
Teilnahme) ist angesichts der globalen<br />
Verflechtungen modemer Gesellschaften ökonomisch<br />
und auch politisch nicht mehr problemlos<br />
möglich. 16<br />
Die partielle Inklusion auf<br />
sozio-ökonomischer und zunehmend auch politischer<br />
Ebene wird jedoch durch Exklusionseffekte<br />
auf symbolischer Ebene kompensiert,<br />
ein Phänomen, das als .symbolische Exklusion'<br />
bezeichnet werden kann. Dieser Begriff<br />
betont die besondere Logik, die sich in Prozessen<br />
der symbolischen Benachteiligung bis<br />
hin zur symbolischen Exklusion durchsetzt: die<br />
Klassifikation von Individuen als .anders', als<br />
Mitglieder einer Gruppe, die nicht zur Gesellschaft<br />
dazugehören. Die Inkludierten sind, um<br />
die euphemisierenden Formeln zu benutzen,<br />
die der öffentliche Diskurs bereithält, die Gastgesellschaft,<br />
die rechtlich anerkannten Gesellschaftsmitglieder,<br />
oder einfach: die Staatsbürger.<br />
Die Inkludierten sind also diejenigen, die<br />
sich auf Grund historischer Kontingenz auf einem<br />
Territorium befinden, über das eine staatliche<br />
Macht das Recht der exklusiven Mitgliedschaft<br />
errichten konnte, eben die Staatsbürger