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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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PROTEST UND SY<strong>MB</strong>OLISCHE GEWALT<br />

eines Nationalstaats. Inklusion und Exklusion<br />

sind komplementäre Definitionsprozesse, in<br />

denen symbolische Gewalt zum Tragen kommt.<br />

Wenn dieser symbolische Ausschluß gelingt,<br />

dann greifen die bekannten Folgen: die anomischen<br />

Reaktionen der Betroffenen und die moralische<br />

Betroffenheit der ,wohlmeinenden'<br />

Inkludierten. 17<br />

Diese Folgen verstärken sich und<br />

münden in einer Spirale der Benachteiligung,<br />

an deren Ende der totale Ausschluß (Selbstausschluß<br />

der Exkludierten oder Ausschluß durch<br />

die Inkludierten) stehen kann. Identitätskämpfe<br />

bewirken die Mobilisierung symbolischer Gewalt,<br />

die soziale Exklusion jenseits von ökonomischer<br />

und politischer Gewalt möglich macht,<br />

nämlich als symbolische Exklusion. 18<br />

Die damit verbundenen langfristigen Folgen<br />

für die Mobilisierung kollektiver Identitäten<br />

bestehen nicht einfach in der Wiederkehr ethnischer<br />

Differenzierung, sondern vor allem in<br />

der Verflüssigung symbolischer Grenzziehung<br />

und der damit verbundenen Möglichkeit der<br />

permanenten Konstruktion und Rekonstruktion<br />

von Identitäten. Es ist genau jenes Phänomen<br />

der - auf den ersten Blick fast beliebig<br />

erscheinenden - diskursiven Repräsentation<br />

symbolischer Differenzen, die die Dynamik<br />

kollektiver Identitätsmobilisierung und den<br />

Modus der Mobilisierung von Gewalt in spätmodernen<br />

Gesellschaften kennzeichnet. Identitätspolitik<br />

ist das Feld, in dem symbolische<br />

Gewalt die Beziehungen zwischen kulturell<br />

unterschiedlichen Gruppen bestimmen kann.<br />

3.2 Medien und .ethnische Identitätsunternehmer'<br />

Gegenstand der Analyse von Identitätspolitik<br />

sind damit all jene Prozesse, in denen symbolische<br />

Grenzen thematisiert werden, jenes Feld<br />

der Dauerproduktion von symbolischen Abgrenzungen,<br />

das unter dem Begriff des Dis­<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

kurses einer Gesellschaft gefaßt werden kann.<br />

Diskurse sind polyphonische, sehr oft kakophonische<br />

Gebilde, in denen sich für die Beteiligten<br />

unterschiedliche Möglichkeiten des<br />

Handelns eröffnen. Der Mediendiskurs (der<br />

mediale Wirklichkeitsraum der Deutungen des<br />

,Anderen') ist konstituiert als ein polyphonisches<br />

Feld, in dem viele Stimmen um Gehör<br />

kämpfen. In diesem Feld gibt es keine Gewinner<br />

und Verlierer (denn man kann, im Gegensatz<br />

zu Gütern, keine Symbole wegnehmen;<br />

man kann sie nur verbieten' 9<br />

). Es gibt nur mehr<br />

oder weniger erfolgreiche Unternehmer, Strategien<br />

des Umgangs mit diesen Repräsentationen,<br />

Spieler auf der Klaviatur der Symbole der<br />

Inklusion und Exklusion. Wer sich auf diesem<br />

Feld engagiert und agiert, hängt von zu spezifizierenden<br />

Bedingungen ab, in denen Grenzen<br />

problematisch werden. Das durch Migration<br />

erzeugte Feld von Identitätsmobilisierung<br />

liefert solche Bedingungen. Daraus zu schließen,<br />

daß wir nun zu vormoderner ethnischer<br />

Differenzierung zurückkehren, ist voreilig. Die<br />

theoretische Vermutung ist eher, daß wir uns<br />

zu hochmoderner Patchwork-Praxis hinbewegen<br />

und daß ethnische Unternehmer zur Avantgarde<br />

in diesem Prozeß gehören.<br />

Ethnische Differenzierung strukturiert das Feld,<br />

das im Gefolge der Konstruktion kollektiver<br />

Identitäten Dynamiken auslöst, die Bewegung<br />

und Gegenbewegung, und Bewegung miteinander<br />

verkoppeln. Dabei kann sich die damit<br />

verbundene Mobilisierung symbolischer Macht<br />

steigern, was daraufhin weist, daß das klassische<br />

Modell der Bewegungsforschung, daß<br />

<strong>Bewegungen</strong> sich gegen etwas richten und dafür<br />

die Unterstützung möglichst vieler suchen,<br />

zu einfach ist. 20<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong> werden<br />

zu einem Element in einem Feld kollektiven<br />

Handelns, in dem die Dynamik symbolischer<br />

Grenzziehung das Verhältnis von Herrschaft und<br />

Protest, von Emanzipation und Unterdrückung,<br />

von Zivilgesellschaft und Staat verändert.

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