Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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PULSSCHLAG<br />
Erfahrungen und Bewertungen<br />
... aus Sicht der Polizeiseite<br />
Die beteiligten Polizistinnen stellen sich dem<br />
Dialogansatz des Bonner Forums bewußt in<br />
ihrer Freizeit, um ganzheitlich als Bürgerinnen<br />
und Polizistinnen wahrgenommen zu werden<br />
und um zu dokumentieren, daß sie aus persönlicher<br />
Initiative und nicht als Abgesandte der<br />
Polizeiorganisation daran teilnehmen. Es ist<br />
ihnen dabei bewußt, daß Amtsverschwiegenheit,<br />
persönliche Befangenheit und Loyalität<br />
gegenüber dem Dienstherrn in manchen Fällen<br />
den Diskussionsmöglichkeiten Grenzen setzen<br />
werden. Das Bonner Forum eröffnet im übrigen<br />
neben dem Dialog mit polizeikritischen Bürgerinnen<br />
auch die Chance für einen unverkrampfteren<br />
Umgang der Polizistinnen untereinander,<br />
zumal Beamtinnen aller Hierarchieebenen<br />
gleichberechtigt mitarbeiten.<br />
Genutzt werden diese Möglichkeiten allerdings<br />
nur von einer Handvoll Polizistinnen, die als<br />
Mitglieder des Vereins ständig mitarbeiten. Ein<br />
größerer Kreis nicht aktiv Beteiligter läßt sich<br />
darüber hinaus regelmäßig über die aktuellen<br />
Vorhaben des Bonner Forums informieren. Die<br />
Mehrzahl der Polizeibeamtinnen steht jedoch<br />
der Initiative eher gleichgültig, skeptisch oder<br />
ablehnend gegenüber - die aktiven Mitglieder<br />
des Bonner Forums werden zum Teil mißtrauisch<br />
beobachtet. Ahnlich distanziert verhält sich<br />
die Polizeiorganisation, obwohl sich kurz nach<br />
Gründung der Initiative der damalige nordrheinwestfälische<br />
Innenminister Herbert Schnoor<br />
grundsätzlich positiv geäußert hatte. Auch die<br />
Berufsverbände treten dem Bonner Forum eher<br />
reserviert gegenüber - die Gewerkschaft der<br />
Polizei hat bislang mehrere Angebote zur Zusammenarbeit<br />
bei öffentlichen Veranstaltungen<br />
(bis auf die einmalige Entsendung eines Teilnehmers<br />
an einer Podiumsdiskussion) nicht<br />
angenommen.<br />
Unter Beachtung der für die unmittelbar Beteiligten<br />
gebotenen Zurückhaltung sollen einige<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 11, HEFT 4, 1998<br />
mögliche Aspekte für die distanzierte Haltung<br />
von Polizeiangehörigen und Polizeiorganisation<br />
angesprochen werden.<br />
Bei einer Untersuchung über Wertorientierungen<br />
von Polizeibeamtinnen in Niedersachsen<br />
landete das Item .Mitarbeit in Bürgerinitiative'<br />
auf dem letzten Platz (Rang 112). Neben dieser<br />
generellen, apolitischen Disposition spielt wahrscheinlich<br />
auch der in der Polizei häufig anzutreffende<br />
Hang zur Stereotypenbildung eine nicht<br />
unerhebliche Rolle für die grundsätzliche Ablehnung<br />
und Skepsis gegenüber dem Dialogexperiment:<br />
Bürgerinnen werden im Polizeijargon<br />
nicht selten in die Kategorien polizeifreundlich<br />
und polizeifeindlich eingestuft - und mit<br />
letzteren setzt man sich in seiner Freizeit nicht<br />
an einen Tisch.<br />
Die Polizeiorganisation hat Schwierigkeiten mit<br />
der Akzeptanz von Polizeibeamtinnen, die sich<br />
außerhalb derhierarchischen Strukturen auf Dialogwege<br />
begeben, die der offiziellen polizeilichen<br />
Öffentlichkeitsarbeit teilweise verschlossen<br />
sind bzw. von dort aus nur selten betreten<br />
werden (können). Die Nicht-Steuerbarkeit der<br />
Polizeibeamtinnen im Bonner Forum scheint<br />
von Innenministerium und Behörden als tendenziell<br />
gefährlich und organisationsschädlich<br />
wahrgenommen zu werden. Konkrete Belege<br />
für Disziplinierungsversuche oder Mobbing<br />
gegenüber den Polizeibeamtinnen im Bonner<br />
Forum gibt es kaum - die distanziert-ablehnende<br />
Haltung von Polizeiorganisation und Beamtenschaft<br />
ist subtil.<br />
Das Experiment selbst belegt, daß man von<br />
genereller Dialogunfähigkeit zwischen Polizei<br />
und Protestbewegung - so noch die überwiegende<br />
Bewertung am Anfang der achtziger Jahre<br />
- nicht mehr sprechen kann. Obwohl es nach<br />
wie vor auf beiden Seiten genug Vertreterinnen<br />
gibt, die sich nach diesen alten Grundmustern<br />
zurückzusehnen scheinen und der jeweils anderen<br />
Seite die Ursache dafür zuschieben möchten.<br />
Die öffentlichen Stellungnahmen des Bonner<br />
Forums zeigen darüber hinaus, daß es in