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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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26<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

als 20 Jahre, gut 62% hatten einen Haupt-,<br />

20% einen Realschulabschluß und „mit dem<br />

Status als Auszubildender und Lehrling sowie<br />

mit Facharbeiterberufen" (Willems 1993: 99)<br />

als vorherrschender Berufsqualifikation - oder<br />

wie es ein Polizist formulierte: „Das sind keine<br />

Intellektuellen, das sind Hauptschüler, Metallschlosser,<br />

Automechaniker" (Gehrmann<br />

1994). Diese Feststellung wurde übrigens auch<br />

durch Untersuchungen zur Ideologie der Gewalttäter<br />

bestätigt. So überwiegen Claus Leggewie<br />

zufolge eindeutig nationalistische und<br />

nationalsozialistische Begründungsmuster, die<br />

eher milieuspezifisch auftreten: „Rund um<br />

Fußball, Alkoholkonsum und Musik, diese<br />

höchst populären Freizeitbeschäftigungen und<br />

Gegenwartsmythen, wächst ein relativ konsistentes<br />

und homogenes Milieu, das sich von<br />

Zeit zu Zeit gewalttätig äußert und gesinnungsmäßig<br />

in der Nähe eines plebejisch-weißen<br />

Nationalismus steht" (Leggewie 1994:<br />

330). Insgesamt handelt es sich somit um eine<br />

Protesthaltung mit hoher Gewaltbereitschaft,<br />

die einem ,Extremismus der Mitte' (Kraushaar)<br />

zuneigt, in der ,Mitte der Gesellschaft'<br />

(Heitmeyer) angesiedelt ist und zeitweilig<br />

nicht unbeträchtliche Wahlerfolge rechtsextremer<br />

Parteien verbuchen konnte (vgl. Klein/<br />

Falter 1996).<br />

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang,<br />

daß der Anwendung von Gewalt nach Heitmeyer<br />

in der Regel die Erfahrung von Ausgrenzung<br />

und der Verlust von Kommunikationsfähigkeit<br />

vorausgeht. Mit anderen Worten<br />

verweist Gewalt zumeist auf unzureichende Inklusionschancen<br />

im Sinne von mangelnder<br />

Mitsprache, Teilnahme, Anerkennung aus Sicht<br />

der Betroffenen, und zu manifester Gewalt<br />

kommt es - sofern die Sozialisationsbedingungen<br />

zutreffen - häufig deshalb, um sich dennoch<br />

Gehör zu verschaffen, wie unreflektiert<br />

dies auch immer ablaufen mag. 4<br />

Dieser Befund<br />

gilt für den Zusammenhang von Protest<br />

KAI-UWE HELLMANN<br />

und Gewalt generell (Karstedt-Henke 1980;<br />

Zimmermann 1984; Eckert 1993).<br />

5 Protest und Gewalt -<br />

mehrdimensional betrachtet<br />

Ohne hier auf weitere Studien zum Verhältnis<br />

von Gesellschaftsstruktur und Gewalt einzugehen,<br />

dürfte deutlich geworden sei, daß der<br />

Structural Strains-Ansatz zur Aufklärung dieses<br />

Verhältnisses einiges beizutragen hat. Denn<br />

ohne Zweifel sind letzte Ursachen für Gewalt<br />

in der Gesellschaft als solcher zu finden.<br />

Gleichwohl bleiben viele Fragen offen, was<br />

die konkrete Vermittlung zwischen Gesellschaft<br />

und Gewalt betrifft. Hier müssen andere Erklärungsansätze<br />

aushelfen, die nicht nur auf<br />

der Makro-, sondern auch auf der Meso- und<br />

Mikroebene forschen, so daß der Ubergang<br />

von Protest zu Gewalt nicht nur plausibel, sondern<br />

auch interaktionsdynamisch rekonstruiert<br />

wird: sei dies aus der Innenansicht der Bewegung,<br />

aus organisationssoziologischer Perspektive<br />

oder in der Auseinandersetzung mit dem<br />

Staat. Der Zusammenhang von Protest und<br />

Gewalt bedarf somit einer mehrdimensionalen<br />

Betrachtungsweise, wofür der Structural-<br />

Strains-Ansatz nur eine Perspektive anbietet.<br />

Kai-Uwe Hellmann habilitiert am Institut für<br />

Soziologie der Otto-von-Guericke-Universität<br />

Magdeburg.<br />

Anmerkung<br />

1<br />

Talcott Parsons hat hierbei einige erhellende Bemerkungen<br />

zum kommunikativen' Charakter von<br />

Macht bzw. Gewalt gemacht, die damit einsetzen,<br />

daß er Gewalt als .Einschüchterung par excellence'<br />

definiert: „Wichtigster Aspekt dieser Einschüchterung<br />

ist allgemein die Blockierung von Kommunikationskanälen;<br />

so ist z.B. das Hauptmerkmal<br />

von Gefangenschaft, daß der Häftling daran<br />

gehindert werden soll, mit anderen zu kommuni-

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