Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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HAUPTBEITRÄGE<br />
mes mit den lebensweltlichen Wahrnehmungen,<br />
Vorstellungen und Erfahrungen der potentiellen<br />
Aktivisten sind, desto höher ist die<br />
Wahrscheinlichkeit, daß es zu erfolgreicher<br />
Mobilisierung kommt.<br />
Frames haben eine interne Struktur, die sich<br />
rekonstruieren läßt. Gamson (1988: 220) spricht<br />
von „packages of idea elements", deren Kernelemente<br />
aus Verdichtungssymbolen bestehen,<br />
wie Edelman (1976) sie in seinen Untersuchungen<br />
über die Struktur und Funktion symbolischer<br />
Politik beschrieben hat. Die über Verdichtungssymbole<br />
definierten Ideenpakete weisen<br />
häufig eine binäre Struktur auf, d.h. zu<br />
jedem Thema gibt es ein ,countertheme' (Gamson<br />
1988: 221). Damit ist gemeint, daß komplementär<br />
zu jeder positiven Einschätzung eines<br />
Themas (etwa des technischen Fortschritts),<br />
eine negative Variante existiert. Hiemach läßt<br />
sich die generelle Aussage des Framing-Ansatzes<br />
auf die folgende Formel bringen: Frames<br />
sind binär strukturierte semantische Konstrukte,<br />
die sich um ein zentrales Verdichtungssymbol<br />
herum aufbauen. Sie können von unterschiedlicher<br />
Abstraktheit und Reichweite<br />
sein. Je plausibler, kohärenter und umfassender<br />
eine soziale Kosmologie ist, und je besser<br />
sie sich an die lebensweltlichen Erfahrungen<br />
der potentiellen Aktivisten anschließen läßt,<br />
desto besser eignet sie sich als Frame für eine<br />
soziale Bewegung.<br />
Eine zweite bedeutende analytische Ausarbeitung<br />
des Konzepts des Framing für den Gegenstandsbereich<br />
der sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />
haben Snow et al. mit dem Begriff des ,frame<br />
alignment' vorgelegt. Damit sind Aktivitäten<br />
und Prozesse gemeint, die sich auf "the linkage<br />
of individual and SMO interpretive orientations,<br />
such that some set of individual interests,<br />
values and beliefs and SMO activities, goals<br />
and ideology are congruent and complementary"<br />
(Snow et al. 1986: 464) beziehen. Es han-<br />
REINHARD KREISSL/FRITZ SACK<br />
delt sich um die Abstimmung und Ausrichtung<br />
von Perspektiven, Sichtweisen, Interpretationsmustern<br />
etc. individueller Akteure mit denen<br />
kollektiver Akteure, d.h. sozialer <strong>Bewegungen</strong>.<br />
Dabei geht es um mehr als das registrierende<br />
und beschreibende Erfassen von mentalen und<br />
kognitiven Gemeinsamkeiten. Zu Recht stellt<br />
Cerulo das Konzept des ,frame alignment' in<br />
den offensiven Zusammenhang von „Identity<br />
Politics and Collective Mobilization" (Cerulo<br />
1997: 393f): die von Snow et al. identifizierten<br />
Prozesse sind solche strategischen Handelns<br />
auf der Ebene kollektiver Akteure. Deutlich<br />
wird dieser strategische und gestalterische Gehalt<br />
des Konzepts an den von Snow et al. unterschiedenen<br />
vier Formen der Ausrichtung,<br />
Anpassung und Vermittlung individuell und<br />
kollektiv unterschiedlicher Interpretationsmuster.<br />
Auf der Grundlage einer Reihe empirischer<br />
Beispiele differenzieren die Autoren Prozesse<br />
des ,frame bridging', der ,frame amplification',<br />
der ,frame extension' sowie der ,frame<br />
transformation' - in allen diesen Fällen<br />
geht es um die gezielte Bündelung, Überführung<br />
und Integration differenter individueller<br />
Vorstellungen und Interpretationen in die kollektive<br />
Singularität eines einheitlichen und geteilten<br />
Bezugsrahmens der Wahrnehmung, Bewertung,<br />
Zielsetzung und Realisierung.<br />
Eine dritte analytische Präzisierung und Differenzierung<br />
des Framing-Konzepts ist mit dem<br />
Begriff des ,master frame' intendiert. In einer<br />
empirischen Analyse zweier Fälle sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
- aus Anlaß eines Besuchs des amerikanischen<br />
Präsidenten Reagan im Juli 1987<br />
in Berlin sowie einer Tagung der Weltbank<br />
und des Internationalen Währungsfonds (IWF)<br />
im September 1988 ebenfalls in Berlin - haben<br />
Gerhards/Rucht (1992) die Prozesse der<br />
Mobilisierung von Protestpotential als mehrstufiges<br />
Modell abgebildet. Dabei verwenden<br />
sie das Konzept des master frame auf der Ebene<br />
der Meso-Mobilisierung von mehr oder we-