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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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HAUPTBEITRÄGE<br />

sehen dem legalistischen Code polizeilichen<br />

Handelns und der Alltagsprache bzw. der Sprache<br />

in den Medien. Sie soll dazu beitragen,<br />

Legitimitätsverluste abzuwehren und Legitimitätsdefizite<br />

auszugleichen sowie Einfluß auf<br />

die öffentliche Meinung, die Demonstranten<br />

und ,Störer' zu nehmen, um die Rolle der Polizei<br />

zu verdeutlichen, den Einsatz zu legitimieren<br />

sowie Gesetzesbruch und Gesetzesbrecher<br />

zu diskreditieren.<br />

Auf taktischem Gebiet will die Polizei ihren<br />

Gewalteinsatz minimieren, obwohl der Einsatz<br />

von rechtlich abgesicherter Gewalt im zweiten<br />

Feld der gerichtlichen Auseinandersetzung Bestand<br />

hätte. Im dritten Bereich fürchtet die<br />

Polizei um ihr öffentliches Image, um die Akzeptanz<br />

und das Vertrauen der Bevölkerung.<br />

Vorwürfe wegen (vermeintlicher) brutaler<br />

Uberreaktionen oder die Anschuldigung, eine<br />

Eskalationsspirale der Gewalt ausgelöst zu haben,<br />

greifen die Legitimationsbasis und damit<br />

die öffentliche Unterstützung und Akzeptanz<br />

der Polizei an. Aus diesem Grund steht<br />

die Verhinderung von Gewalt ganz oben auf<br />

der strategisch-taktischen Prioritätenliste. Die<br />

Presse berichtet vom polizeilichen Handeln<br />

im Einsatz und verlagert damit die ,Schlacht'<br />

auf das dritte Feld, die Bühne der Massenmedien.<br />

Die drei Schlachtfelder' können also<br />

nicht voneinander getrennt gesehen werden.<br />

Daher sind in diesen drei Bereichen auch die<br />

Handlungskalküle und -Strategien interdependent.<br />

Martin Winter ist Sozialwissenschaftler an der<br />

Universität Halle-Wittenberg.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Einzig die AG Bürgerrechte an der Freien Universität<br />

Berlin (CILIP 1981; Busch et al. 1985)<br />

und die Trierer Forschungsgruppe um Helmut<br />

MARTIN WINTER<br />

Willems et al. (1988) haben sich ausführlicher mit<br />

dem Thema ,Polizei und Protest' befaßt. Ein erster<br />

Versuch, die Lücke in der Erforschung polizeilicher<br />

Machtpotentiale und Handlungsstrategien<br />

im Kontext von Protest policing zu füllen, stellt<br />

meine Untersuchung dar (Winter 1998), auf der<br />

auch dieser Beitrag basiert. In internationaler Perspektive<br />

ist der Sammelband von della Porta/Reiter<br />

(1998) zu nennen.<br />

2<br />

Dieser Beitrag ist ein Extrakt umfangreicher Forschung<br />

(Winter 1998); die hier aufgeführten Zitate<br />

besitzen nur illustrierenden Charakter. Die Empirie<br />

basiert auf der qualitativen Dokumentenanalyse<br />

von fünf Jahrgängen (1989 bis 1993) aller<br />

wichtigen, bundesweit erscheinenden Polizeifachzeitschriften,<br />

der Polizeidienstvorschrift 100 und<br />

des dazugehörenden Kommentars sowie auf weiterer<br />

grauer Literatur. Zudem wurden 16 leitende<br />

Polizeibeamte aus Berlin, Düsseldorf, Leipzig,<br />

Münster und Nürnberg als Experten interviewt.<br />

3<br />

Zu dieser ,Zwischenklasse' gehören die, die<br />

manchmal friedlich sind, sich aber manchmal (zumeist<br />

in eskalierenden Lagen) den Militanten anschließen.<br />

Eine andere für die Polizei schwer einstufbare<br />

Gruppe sind die gewaltfreien Sitzblokkierenden.<br />

4<br />

Diese Dreiteilung des polizeilichen Gegenübers<br />

wird auch bei kurdischen Demonstranten und Fußballfans<br />

angewandt. Für Protest von rechts gilt sie<br />

jedoch nicht, da rechte Protestaktionen ohne Einschränkung<br />

als verwerflich gelten.<br />

5<br />

Einerseits werden die Ziele der .Gewalttäter'<br />

als irrational betrachtet, andererseits wird ihnen<br />

eine taktisch kalkulierte, d.h. rationale Mittelwahl<br />

unterstellt. Die Frage, wie die beiden divergierenden<br />

Einschätzungen zusammenpassen,<br />

bleibt offen.<br />

6<br />

Dahinter kann ein weiteres handlungsrelevantes<br />

Kalkül stehen: Die Polizei meint, dem politischen<br />

Willen ihres Dienstherren Rechnung tragen zu<br />

müssen. Wenn keine Vorgaben gemacht werden,<br />

können auch der vorauseilende Gehorsam (Bereitschaftspolizei-heute<br />

11-12/1990: 25) und die<br />

Vermutung ,ungeschriebener Leitlinien' - wie das<br />

ein befragter Polizeiführer nannte - zu bedeutenden<br />

Handlungsfaktoren werden.

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