Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FRAMING - DIE KOGNITIV-SOZIALE DIMENSION VON SOZIALEM PROTEST •BSla<br />
niger heterogenen Gruppen und definieren es<br />
über seine Funktion als .ideologische Integration'<br />
von ansonsten separaten und voneinander<br />
unterschiedenen „micromobilization<br />
groups" (Gerhards/Rucht 1992: 574f). Die verwendeten<br />
master frames zur Mobilisierung von<br />
schon mikrovernetzten Bewegungsakteuren für<br />
die Aktionen der beiden empirisch untersuchten<br />
Beispiele sozialer <strong>Bewegungen</strong> identifizieren<br />
Gerhards/Rucht (1992: 575) als .Ideologie<br />
des Imperialismus' im Falle der Proteste gegen<br />
das IWF- und Weltbanktreffen und als ,hegemoniale<br />
Machtideologie' bei dem Protest<br />
gegen den Reagan-Besuch.<br />
Die von Gerhards/Rucht identifizierten Beispiele<br />
von master frames regen eine weitere<br />
Elaborierung des Konzepts an. Erste Überlegungen<br />
dieser Art legen etwa die folgende Unterscheidung<br />
nahe. Auf der einen Seite gibt es<br />
soziale <strong>Bewegungen</strong>, die entweder einen verteilungsorientierten,<br />
auf die ökonomische<br />
Struktur einer Gesellschaft zielenden master<br />
frame verwenden, oder solche, die ihren master<br />
frame aus einer Kritik des politischen Systems<br />
entwickeln und ihre Anliegen als Forderungen<br />
nach politischer Partizipation formulieren.<br />
Auf der anderen Seite kennen wir reflexive<br />
<strong>Bewegungen</strong>, die entlang einer Konfliktlinie,<br />
die sich analytisch an der Schnittstelle<br />
von System und Lebenswelt verorten ließe,<br />
operieren, und denen es primär um gesellschaftliche<br />
Anerkennung partikularer Anliegen oder<br />
bestimmter Lebensformen geht.<br />
Diese Typisierung, die ebenso große wie grobe<br />
historische Schnitte legt, benennt master<br />
frames, die etwa für eine bestimmte Periode,<br />
für einen sog. Protestzyklus (Tarrow 1991),<br />
die inhaltlichen Vorgaben machen. Die Arbeiterbewegung<br />
etwa, deren master frame mit der<br />
zentralen Dichotomie von Kapital und Arbeit<br />
in erster Linie Verteilungsprobleme thematisierte,<br />
bildete im Verlauf ihrer Entwicklung<br />
HAUPTBEITRÄGE<br />
Differenzierungen, die sich als Variationen des<br />
ökonomischen Zentralthemas Verteilung des<br />
durch menschliche Arbeit gesellschaftlich produzierten<br />
Reichtums darstellen lassen. Die Forderung<br />
nach Arbeitszeitverkürzungen etwa,<br />
nach Absicherung gegen arbeitsmarktinduzierte<br />
Risiken durch staatlich garantierte Versicherungssysteme<br />
berufen sich in ihrer Begründung<br />
auf den Bereich der Ökonomie, sie setzen<br />
an den subjektiv lebensweltlichen Erfahrungen<br />
der Arbeiter am Arbeitsplatz an und<br />
bedienen sich einer Theorie, die von Wertschöpfung<br />
und Ausbeutung als zentralen Topoi<br />
zur Erklärung der Welt ausgeht.<br />
Solche weiterführenden Analysen und konzeptionellen<br />
Ausarbeitungen ergeben sich aus einer<br />
weiteren Sichtung der bisherigen konzeptuellen<br />
Bilanz des Framing-Ansatzes. Dies läßt<br />
sich etwa an den von Gamson und Mitarbeitern<br />
unterschiedenen drei Typen von frames:<br />
.injustice', ,agency' und ,identity frames' demonstrieren,<br />
auf die Rucht (1994: 344) zu<br />
Recht hingewiesen hat. Auch diese typologische<br />
Klassifikation ist analytisch auf der Ebene<br />
von master frames angesiedelt, wobei ganz<br />
offensichtlich eine gewisse begriffliche Nähe<br />
zu den drei Grundaspekten des diagnostischen,<br />
prognostischen und motivationalen Framing<br />
besteht.<br />
Konzeptionelle Verknüpfungen lassen sich weiter<br />
herstellen zwischen den master frames und<br />
den differenzierten Prozessen des frame alignment,<br />
wobei man sich master frames als besonders<br />
erfolgreiche und inklusive Medien von<br />
Framing-Aktivitäten zu denken hat. Die analytische<br />
Relation zwischen den eher funktionalistisch<br />
differenzierten Aspekten des diagnostischen,<br />
prognostischen und motivationalen<br />
Framing und den stärker handlungstheoretisch<br />
konzipierten Prozessen des ,frame alignments'<br />
hat man sich in der Weise vorzustellen, daß<br />
die einzelnen funktionalen Teilaspekte des Fra-