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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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RESSOURCENMOBILISIERUNG UND GEWALT<br />

Der eigentliche Durchbruch des Ressourcenmobilisierungsansatzes<br />

in breiter kodifizierter<br />

Form ist mit den Schwächen der ersten Erklärungswelle<br />

der Unruhen unter der städtischen<br />

schwarzen Bevölkerung in den USA zwischen<br />

1963 und 1968 anzusetzen. Diese waren Anlaß<br />

für ein breit angelegtes, auch international<br />

vergleichendes Forschungsprogramm (Graham/<br />

Gurr 1969; zusammenfassend: Zimmermann<br />

1983). Mit Blick auf die USA wurde dabei besonders<br />

auf die rückständigen städtischen Wohnverhältnisse,<br />

die Bildungsdefizite und unvollständigen<br />

Familienkonstellationen des schwarzen,<br />

häufig arbeitslosen Subproletariats verwiesen.<br />

Zu den Erklärungskonzeptionen gehörten<br />

u.a. Varianten der Entfremdungtheorie wie auch<br />

blocked opportunity-Thsontn. Den breitesten<br />

Erklärungsrahmen gab dabei die Theorie der<br />

relativen Benachteiligung ab, der Gurr (1970)<br />

in seinem wohl einflußreichsten Werk den Charakter<br />

der alles entscheidenden erklärenden Variable<br />

beimaß, ohne dafür allerdings den auf<br />

der Individual- oder Gruppenebene angemessenen<br />

empirischen Test durchgeführt zu haben.<br />

So war es denn auch nicht verwunderlich, daß<br />

unverzüglich eingewandt wurde, die Schwarzen<br />

seien schon länger relativ benachteiligt gewesen,<br />

der Ausbruch zum konkreten Zeitpunkt<br />

könne also nicht allein durch relative Benachteiligung<br />

erfaßt werden. Auch Eisinger (1973)<br />

hat schon frühzeitig darauf aufmerksam gemacht,<br />

daß die örtlichen Umstände der spontanen<br />

Protestaktionen, des Aufruhrs und auch<br />

der Plünderungen näher zu analysieren seien:<br />

im Hinblick auf liberale Bündnispartner in städtischen<br />

Koalitionen, die die Beschwerdelage<br />

und Benachteiligungen in den schwarzen Ghettos<br />

dokumentieren und rechtfertigen halfen wie<br />

auch gelegentlich spezifische Wahlkoalitionen<br />

mit den betreffenden Quartieren eingingen.<br />

Systematischer erfolgten die Angriffe auf die<br />

Dominanz der Theorie der relativen Benach­<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

teiligung aus verschiedenen Richtungen. So<br />

machte Tilly wiederholt auf den Erklärungsnotstand<br />

bei der zeitlichen Inzidenz aufmerksam,<br />

wenn Deprivationsansätze bemüht werden.<br />

Daneben entwickelte Tilly (1978) ein<br />

reichhaltiges, häufig locker gewebtes analytisches<br />

Instrumentarium, in dem Begriffe vorkamen<br />

wie z.B. cat-net, die Mobilisierung sozialer<br />

Kategorien und privater Netzwerke für<br />

soziale <strong>Bewegungen</strong> („Blockrekrutierung" bei<br />

Oberschall 1973: 125). Vor allem entlang der<br />

Typologie reaktiver kollektiver Proteste, denen<br />

es um die Wiederherstellung ,akzeptabler'<br />

Zustände vor ihrer Ausufemng ging, und proaktiver<br />

Proteste, in denen ideologische Begründungen<br />

zukünftiger Zielzustände und organisatorische<br />

Ressourcen zur ihrer Herbeiführung<br />

eine Rolle spielten, wurde die Konzeption der<br />

Ressourcenmobilisierung weiterentwickelt. Allerdings<br />

hat Tilly seine Überlegungen trotz<br />

überaus vielfältiger Anregungen für die Forschung<br />

nie enger im Sinne einer stärker testtheoretisch<br />

orientierten sozialwissenschaftlichen<br />

Methodologie formuliert und forciert.<br />

In konzeptioneller Hinsicht stießen McCarthy<br />

und Zald am weitesten vor (McCarthy/Zald<br />

1973; Zald 1992). Sie übertrugen in lockerer<br />

Form eine Art betriebs- und volkswirtschaftlicher<br />

Terminologie auf den sozialen Bewegungssektor<br />

- auch dies bereits eine ihrer konzeptionellen<br />

Neuschöpfungen. Entscheidend<br />

war dabei einerseits die Generierung einer neuen<br />

Fachterminologie, zum anderen das Argument,<br />

soziale Protestphänomene nicht als Sonderkategorie<br />

sui generis, sondern als die Organisierung<br />

knapper Ressourcen zu sehen, wie<br />

dies für jeden ökonomischen Normalfall kollektiver<br />

Aktion zutrifft. Die dritte durchschlagende<br />

Entwicklung war, daß damit die latente<br />

Nachfrageseite des Protestschreis der Entbehrenden<br />

um die nunmehr dominantere Sicht einer<br />

Angebotsperspektive ergänzt wurde. Hierbei<br />

wird dem Protestpotential erst durch Orga-

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