Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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iKMfSl FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 11, HEFT 4,1998<br />
LITERATUR<br />
unterscheidet, verdeutlicht er, daß diese Komponenten<br />
- Ungerechtigkeit, Identität und Handlungsorientierung<br />
(agency) - sozial konstruierte<br />
Definitionen einer Situation darstellen. Um<br />
die Frage nach der Generierung dieser Definitionen<br />
zu beantworten, müsse man sich folgerichtig<br />
dem Prozeß der Konstruktion von Bedeutung<br />
zuwenden.<br />
Kollektive Handlungsrahmen sind nicht nur irgendeine<br />
Art kollektiver Uberzeugungen, sondern<br />
beinhalten gesellschaftliche Konflikte (19).<br />
Von entscheidender Bedeutung für die Aneignung<br />
kollektiver Uberzeugungen ist die interpersonale<br />
Interaktion, die sich oftmals mit der<br />
Herstellung von Konsens beschäftigt (20). Personen<br />
tendieren dazu, vor allem komplexe Informationen<br />
und ihr Wissen im Vergleich - d.h.<br />
beispielsweise im Gespräch, in der Diskussion<br />
- mit ,significant others' zu validieren.<br />
Kollektive Uberzeugungen können aber auch<br />
unabhängig hiervon, durch die Auseinandersetzung<br />
mit überzeugender Information angeeignet<br />
werden. Hinsichtlich dieser Informationsquellen<br />
sind Mediendiskurs, Erfahrungswissen und der<br />
.gesunde Menschenverstand' (populär wisdom)<br />
zu unterscheiden. Es sind einerseits individuelle<br />
Dispositionen und andererseits kulturelle Themen<br />
und Gegenthemen, die die interpersonale<br />
Interaktion sowie o.g. Informationsquellen beeinflussen.<br />
Aus dem Wechselspiel der wahrgenommenen<br />
Information und der interpersonalen<br />
Interaktion erwachsen Ungerechtigkeits- und<br />
Identitäts-frames. Inwieweit diese in Handlungsorientierung<br />
und letztlich in Partizipation umgesetzt<br />
werden, ist wiederum in hohem Maße von<br />
der jeweiligen individuellen Bereitschaft abhängig.<br />
Partizipation und damit einhergehendes Engagement<br />
fließen ihrerseits wieder in die interpersonale<br />
Interaktion und die Auseinandersetzung<br />
mit o.g. Informationsquellen ein. (20f).<br />
Klandermans zeigt vier Schritte zur Partizipation<br />
auf: Die Zugehörigkeit zum Mobilisierungspotential<br />
(zum Kreis der Bewegungssympathisanten),<br />
die Einwirkung durch Rekrutierungs<br />
netzwerke, Motivation und schließlich die Überwindung<br />
von Barrieren (z.B. im Sinne von Unbequemlichkeiten),<br />
die vor die Partizipation<br />
gestellt sind. Aus psychologischer Sicht ist vor<br />
allem die Motivation zur Partizipation von Interesse.<br />
Hier erarbeitet der Autor auf der Grundlage<br />
der Wert-Erwartungs-Theorie und der Theorie<br />
kollektiven Handelns ein Motivationsmodell.<br />
Letztgenannte Theorie unterscheidet zwischen<br />
kollektiven und selektiven Anreizen sozialer<br />
und nicht-sozialer Natur. Der kollektiven<br />
Nutzen (collective benefits; z.B. die Gleichberechtigung<br />
der Frau im Fall der Frauenbewegung)<br />
einer Bewegung steht immer im Zusammenhang<br />
mit dem Erreichen des kollektiven<br />
Ziels, den Zielen kollektiven Handelns. Vom<br />
Erreichen solcher Ziele profitieren alle, ob sie<br />
nun an deren Realisierung mitgewirkt haben<br />
oder nicht. In den kollektiven Nutzen fließen<br />
sowohl die Bewertung des Handlungszieles als<br />
auch die erwartete Durchsetzbarkeit dieses Zieles<br />
ein. Daneben ist die Partizipationsbereitschaft<br />
auch von selektiven Anreizen abhängig,<br />
die sich ausschließlich aus der unmittelbaren<br />
Partizipation ergeben, bzw. die man davon erwartet.<br />
Hier sind soziale Anreize, die die Reaktionen<br />
von Bezugspersonen (significant others)<br />
einbeziehen, und nicht-soziale Anreize (z.B.<br />
auf der Nutzenseite Geld, einen Job, auf der<br />
Kostenseite aber auch der Zeitaufwand oder das<br />
Risiko physischen Schadens), zu unterscheiden<br />
(26f).<br />
Um Individuen zur Partizipation in einer sozialen<br />
Bewegung zu motivieren, bedarf es sowohl<br />
kollektiver als auch selektiver Anreize (28).<br />
Zur Erklärung fortgesetzter Partizipation bzw.<br />
des Ausstiegs von Individuen aus <strong>Bewegungen</strong><br />
zieht Klandermans ein organisationspsychologisches<br />
Konzept der Selbstverpflichtung (commitment)<br />
heran (30f). Hier unterscheidet der<br />
Autor affektive Selbstverpflichtung (300, Selbstverpflichtung<br />
zum Erhalt der Fortdauer (continuance<br />
commitment; 32) einer Bewegung- ,Ich<br />
würde ja alles verlieren, worein ich bislang