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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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42<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

rer Theorietraditionen auf diesem Gebiet 1<br />

haben<br />

die Existenz der ideologischen Komponenten<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong> entweder schlicht<br />

vorausgesetzt, deren Bedeutung nachhaltig unterschätzt<br />

oder die Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit<br />

nicht durchschaut.<br />

Zweitens steht dieser Ansatz selbst in einem<br />

historischen und sozialen Kontext. Er läßt sich<br />

als zeittypische Form der sozialwissenschaftlichen<br />

Thematisierung sozialen Protests interpretieren.<br />

Einerseits stellt er eine spezifische<br />

Ausformung des .konstruktivistischen Turn' der<br />

soziologischen Theorie dar, andererseits trägt<br />

er der Tatsache Rechnung, daß soziale <strong>Bewegungen</strong><br />

sich selbst als Konstrukteure sozialer<br />

Wirklichkeit begreifen, d.h. ihre symbolische<br />

Dimension bewußt betonen und ihrer Wirkung<br />

durch bewußte Inszenierung nachhelfen: <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Bewegungen</strong> sind (und begreifen sich als)<br />

kollektive Akteure im Kampf um die soziale<br />

Wirklichkeit. Sie agieren damit wesentlich auf<br />

einer Ebene der symbolischen Auseinandersetzung,<br />

deren Struktur und Beschaffenheit es<br />

zu untersuchen gilt.<br />

2 Framing alsTheorie<br />

sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

Der Framing-Ansatz fokussiert, wie bereits angedeutet,<br />

von seiner Theoriearchitektur genau<br />

jene Ebene der symbolischen Konstruktion von<br />

Wirklichkeit, die sowohl von den auf unterschiedliche<br />

Weise individualistisch angelegten<br />

Positionen der Ressourcenmobilisierung und<br />

der sozialstrukturellen Deprivation als auch von<br />

den Positionen des Interaktionismus und der<br />

politisch-strukturellen Gelegenheiten ausgeblendet<br />

wird. Auf das Individuum ausgerichtete<br />

Positionen bürden diesem entweder zuviel<br />

Erklärungspotential auf, wie es die stark auf<br />

das Rational-Choice-Modell ausgerichtete<br />

Theorie der Ressourcenmobilisierung tut, oder<br />

machen es zu einem bloßen und determinier-<br />

REINHARD KREISSIVFRITZ SACK<br />

ten Reflex struktureller Gegebenheiten und<br />

Zwänge. Die interaktionistische Perspektive<br />

vertraut dagegen zu sehr auf situative, intersubjektive<br />

und spontane Emergenz, wohingegen<br />

die Position der politischen Opportunitätsstruktur<br />

die nicht-politischen Elemente der<br />

Erzeugungsgrammatik sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

unangemessen vernachlässigt oder gar ganz<br />

unterschlägt.<br />

Die vom Framing-Ansatz für die Analyse sozialer<br />

<strong>Bewegungen</strong> postulierte Ebene kollektiv<br />

produzierter und geteilter Deutungen und Interpretationen<br />

lassen sich gerade nicht auf individuelle<br />

Kalküle reduzieren, können nicht<br />

algorithmisch aus sozialstrukturellen Verhältnissen<br />

abgeleitet werden, ergeben sich keineswegs<br />

umstandslos aus der Abfolge sozialer Interaktionen<br />

und sind mitnichten aufgehoben in<br />

der Logik und Struktur politischer Institutionen<br />

und Rahmenbedingungen. Vielmehr haben<br />

solche kollektiven Deutungsmuster eine je<br />

eigene Struktur und Dynamik, entwickeln<br />

gleichsam ein Eigenleben, das für ein Verständnis<br />

kollektiver Protestformen und sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

von außerordentlicher Bedeutung ist.<br />

Unter dem Oberbegriff Framing versammeln<br />

sich eine Reihe von Konzepten, Annahmen und<br />

Überlegungen zur Theorie sozialer <strong>Bewegungen</strong>,<br />

die ihre Kontur aus der Zielsetzung beziehen,<br />

die Struktur und Funktion solcher kollektiven<br />

Deutungsmuster im Kontext sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />

genauer zu identifizieren. In sehr<br />

allgemeiner Weise läßt sich die Grundüberlegung<br />

der Funktion der als Framing identifizierten<br />

Aktivitäten unter Rückgriff auf Konzept<br />

und Analyse des Gegenstandsbereichs ,<strong>Soziale</strong><br />

Probleme' deutlich machen. Dort stehen<br />

sich, zurückreichend bis in die dreißiger Jahre,<br />

eine .objektive' und eine .subjektive' Theorietradition<br />

dergestalt gegenüber, daß erstere den<br />

Status sozialer Probleme an objektive Kriterien<br />

und Gesichtspunkte bindet, wohingegen sub-

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