Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FRAMING - DIE KOGNITIV-SOZIALE DIMENSION VON SOZIALEM PROTEST WHi<br />
laubt nur geringen methodischen und analytischen<br />
Transfer für die Untersuchung der Rahmen<br />
und Rahmenaktivitäten anderer Akteure.<br />
Zweitens: Eine solche Erweiterung bzw. Anwendung<br />
des Framing-Ansatzes auf die Aktivitäten<br />
der Adressaten des Protests oder der<br />
Forderungen von sozialen <strong>Bewegungen</strong> verändern<br />
gleichsam die prototypische Situation, auf<br />
die diese Teiltheorie sozialer <strong>Bewegungen</strong> ausgerichtet<br />
ist. Sowohl die theoretische Explikation<br />
wie die empirischen Anwendungsbeispiele,<br />
die sich in der einschlägigen Literatur finden,<br />
sind auf die Funktion und die Instrumente<br />
der Mobilisierung kollektiver Akteure und Aktionen<br />
gerichtet. Frame-Theoretiker suchen nahezu<br />
ausschließlich Antworten auf die Frage,<br />
wie Träger sozialer <strong>Bewegungen</strong> es anstellen,<br />
ihre inhaltliche und personelle Basis mittels<br />
der Stärkung und Ausarbeitung diagnostischer,<br />
prognostischer und motivationaler Diskurselemente<br />
zu erweitem und zu festigen, individuelle<br />
und lebensweltliche ,Bewußtseine' auf dem<br />
Wege der Alignment-Operationen zu koordinieren<br />
und zu kollektivieren'.<br />
Frames sind aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt<br />
der Bereitstellung, Mobilisierung, Aufrüstung<br />
und Akkumulation von personellen und<br />
argumentativen Vorräten und Ressourcen zu<br />
sehen, sondern auch unter dem reziproken Gesichtspunkt<br />
der Demobilisierung, Schwächung<br />
und womöglich sogar Zerstörung kollektiver<br />
Handlungs- und Legitimationspotentiale. In der<br />
im zweiten Abschnitt zitierten funktionalen<br />
Begriffsbestimmung von Snow/Benford (1988)<br />
werden beide Aspekte ausdrücklich erwähnt:<br />
die Funktion, potentielle Mitglieder, Anhänger<br />
und Zuschauer zu mobilisieren einerseits und<br />
die ,to demobilize antagonists' andererseits.<br />
Die bisherige theoretische Diskussion und empirische<br />
Anwendung des Framing-Ansatzes hat<br />
sich nach unserer Ansicht nahezu ausschließlich<br />
auf den Mobilisierungsaspekt beschränkt<br />
HAUPTBEITRÄGE<br />
und rahmenanalytische Untersuchungen der<br />
Demobilisierung ignoriert. Dieser bislang in<br />
der einschlägigen Diskussion nicht recht ausgeleuchtete<br />
Fleck des Framing-Ansatzes erklärt<br />
weitgehend die Schwierigkeit bis Hilflosigkeit<br />
bei der Anwendung der Theorie auf Probleme<br />
der Gewalt im Kontext sozialer <strong>Bewegungen</strong>,<br />
von denen auch dieser Beitrag zeugt.<br />
Drittens: Eine rahmenanalytische Perspektive<br />
auf die Gewalt im Kontext sozialer <strong>Bewegungen</strong><br />
erfordert unseres Erachtens, eine derartige<br />
Ausweitung des Konzepts auf Prozesse und<br />
Strategien der Demobilisierung von kollektivem<br />
Handlungspotential, und ihr empirisches<br />
Terrain sind eher das Handeln und die Akteure,<br />
gegen die sich die Aktivitäten der sozialen<br />
<strong>Bewegungen</strong> richten, als letztere. Diese Schlußfolgerung<br />
drängt sich auf bei der rahmenanalytischen<br />
Bestimmung des von uns so bezeichneten<br />
Mythos der Friedfertigkeit garantierenden<br />
modernen Staatlichkeit. Man kann diesen<br />
Mythos als umfassenden master frame begreifen,<br />
der die handlungstheoretisch auf entgegengesetzten<br />
Polen anzusiedelnden Akteure des<br />
Staates und der sozialen <strong>Bewegungen</strong> gleichsam<br />
dialektisch und reziprok miteinander verbindet<br />
- dem Staat dient der Mythos zur Demobilisierung<br />
der Ressourcen von sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />
und zur mobilisierenden Legitimierung<br />
des eigenen Handelns; die sozialen <strong>Bewegungen</strong><br />
hindert er an diskursiven Mobilisierungsbemühungen<br />
mit dem Topos der Gewalt.<br />
Diese Schlußfolgerung wird gestützt durch die<br />
mitgeteilten empirischen Befunde über die Rolle<br />
der Gewalt in der Grammatik und Rhetorik<br />
von sozialen <strong>Bewegungen</strong>. <strong>Soziale</strong> <strong>Bewegungen</strong><br />
stellen sich in der weit überwiegenden<br />
Zahl der empirischen und aktuellen Fälle als<br />
friedfertig und gewaltablehnend dar und sind<br />
sehr sensibilisiert gegen eine antagonistische<br />
und demobilisierende Rahmung und Sinnstiftung<br />
ihrer Ziele und ihres Handelns als gewaltorientiert.<br />
Versuche der Mobilisierung von