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Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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58<br />

HAUPTBEITRÄGE<br />

nisierung zu einiger Wirksamkeit verholfen,<br />

oder umgekehrt: Das Moment der Organisierung<br />

steigert gezielt die Gefühle relativer Benachteiligung<br />

und die Rebellionsbereitschaft.<br />

Jedenfalls bleibt relative Benachteiligung nicht<br />

die alleinige und unmittelbar Einfluß ausübende<br />

erklärende Variable auf kollektive Protestbereitschaft<br />

und manifesten Protest. Das bei<br />

Gurr in der Verkürzung noch sehr simple Kausalmodell<br />

- relative Benachteiligungen produzieren<br />

gewaltsame Proteste - wurde nunmehr<br />

zu einem komplexeren Basismodell ausgeweitet<br />

(vgl. Abb. 1, S. 64). Dabei bleibt allerdings<br />

sowohl auf eine Vielzahl intermediärer Bedingungen<br />

als auch auf Ergänzungsbedarf durch<br />

die Theorie der politischen Gelegenheitsstruktur<br />

für die Ressourcenmobilisierungstheorie<br />

hinzuweisen.<br />

An die Stelle von Entbehrungen bei potentiellen<br />

Protestlern - ob absoluter oder relativer<br />

Art - treten nunmehr Unternehmerfiguren in<br />

den Bewegungssektor. Ganze Bewegungsindustrien<br />

mit alternativen Kosten, mit Konkurrenten<br />

und Allianzen werden skizziert. Dabei entwickeln<br />

die Bewegungsunternehmer ihre eigene<br />

Produktstrategie und haben häufig im Sinne<br />

von Michels (1911) ,ehernem' Gesetz der<br />

Oligarchie ihre eigenen Ziele vor Augen, die -<br />

mitunter scheinlegitimiert durch die Geführten<br />

- in ihrer Reichweite und den genutzten Privilegien<br />

den Anhängern der Bewegungsideologie<br />

verborgen bleiben. Autonomie oder Teilautonomie<br />

der Ziele, vor allem aber auch die<br />

bewußte Kalkulation von Angebotslücken und<br />

deren Schließen durch neue Bewegungsunternehmer,<br />

die Organisationsstruktur und ihre<br />

weitere Entwicklung rücken in den Mittelpunkt.<br />

Daß sich (Protest-)Eliten von den Geführten<br />

zu verselbständigen suchen, war spätestens seit<br />

Michels systematisch bekannt. Wie stark ihr<br />

Gebaren, vor allem in un- oder noch wenig<br />

EKKART ZIMMERMANN<br />

strukturierten Märkten aber den Verhaltensweisen<br />

normaler Unternehmer bei der Planung,<br />

dem Marketing und Absatz ihrer Produkte sowie<br />

schließlich des Ertrages entsprach, wurde<br />

erst durch die synthetische Leistung von Mc­<br />

Carthy und Zald (1973) deutlich.<br />

Nimmt man implizite Wertbeziehungen bei den<br />

Forschem an, so hätte es scheinen können, als<br />

ob noch bei den Ansätzen der relativen Benachteiligung<br />

von deutlicher Empathie, bei der<br />

Perspektive der Ressourcenmobilisierung allerdings<br />

manchmal eher von fröhlichem Zynismus<br />

die Rede hätte sein können. Doch bleibt<br />

die analytische Potenz des Ansatzes von solchen<br />

Überlegungen unberührt. Wissenschaftliche<br />

Erkenntnis ist immer zweiseitig nutzbar:<br />

zur Herbeiführung eines erstrebten Zustandes<br />

oder zum Abwenden desselben. So verblüfft<br />

es denn auch nicht, wenn, zumal in Demokratien,<br />

die Gefährlichkeit der Mobilisierung von<br />

Ressourcen durch Dissidenten von weitblikkenden<br />

politischen Amtsinhabem immer gesehen<br />

worden ist und potentielle Gegeneliten<br />

durch Kooptation in das System (Pareto 1916;<br />

Tilly 1975) ,unschädlich' gemacht bzw. integriert<br />

worden sind. Auf diese Weise hat das<br />

System aber auch den nötigen Wandel im Personal<br />

und z.T. in den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen<br />

Sichtweisen erfahren. Die<br />

Teilhabe der Grünen an der Regierungsmacht<br />

ab 1998 wird hierfür zahlreiche Belege erbringen.<br />

Nun gilt es - ähnlich wie in der soziologischen<br />

Rollentheorie - ein breitgefächertes konzeptionelles<br />

Instrumentarium nicht schon für<br />

gute methodisch-theoriegeleitete Forschung zu<br />

halten (vgl. Kap. 3). Doch hätten viele der<br />

konzeptionellen Überlegungen von McCarthy<br />

und Zald unschwer in empirisch testbare Hypothesen<br />

überführt werden können, was bislang<br />

eher unzureichend geschehen ist (Zald<br />

1992).

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