Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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PULSSCHLAG<br />
darf nach Feinden und Sündenböcken wächst.<br />
Die politischen Mundschenke sind besonders<br />
in Wahlzeiten unterwegs und die herrschen ja<br />
fast permanent. Auch wenn sich viele Menschen<br />
gegen diese Feinderklärungen zur Wehr<br />
gesetzt haben, drängend bleibt die Frage, wie<br />
diesen Tendenzen begegnet werden kann.<br />
Um politische Alternativen ging es deshalb<br />
auch in den beiden letzten Vorträgen am dritten<br />
Tag der Veranstaltung. Rolf Schwendter<br />
(Kassel/Wien) erinnerte an die Fülle von Alternativen,<br />
die in .freiwilligen und unfreiwilligen<br />
Subkulturen' in den letzten Jahrzehnten<br />
ausprobiert wurden. Zwar bestehen zahlreiche<br />
Vernetzungen und Initiativen, kein sozialpolitischer<br />
Bereich, keine soziale Institution ist<br />
ohne libertäre Alternative geblieben, aber herrschaftliche,<br />
bürokratische, ein- und ausschließende<br />
Institutionen dominieren das Feld, ja sie<br />
werden mit den ökonomisch-sozialen Umbrüchen<br />
zusehends stärker legitimiert. Allein aus<br />
Sub- und Gegenkulturen wird sich keine politische<br />
Alternative entwickeln lassen, wenn es<br />
nicht gelingt, Kernbereiche der Gesellschaft<br />
solidarisch umzugestalten. Eine radikale Arbeitszeitpolitik<br />
und eine soziale Grundsicherung<br />
wird dazu ebenso gehören müssen wie<br />
eine soziale Ökonomie.<br />
Helga Cremer-Schäfer (Frankfurt/M.) blieb es<br />
vorbehalten, auf einige Schwierigkeiten und<br />
Dilemmata aufmerksam zu machen, die den<br />
Weg zu neuen Solidaritäten verstellen. Gut gemeint<br />
- und wer in den sozialen Berufen meint<br />
es nicht gut - ist oft das Gegenteil von gut.<br />
Empowermentstrategien, die für Benachteiligte<br />
entworfen wurden, produzieren häufig Entmündigung.<br />
Orientierend können zumindest<br />
einige minima moralia des Unterlassens sein,<br />
soll es zu einem gemeinsam von sozial Ausgegrenzten<br />
und (noch) Integrierten entfachten<br />
,Gegenfeuer' (Pierre Bourdieu) kommen.<br />
Fazit der Tagung: Phantasievolle Aktionen und<br />
Gegenentwürfe zur Politik der sozialen Ausgrenzung<br />
sind gefordert. Vorschläge und Mit<br />
FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 11, HEFT 4, 1998<br />
arbeit sind erwünscht. In Kürze wird eine Tagungsdokumentation<br />
erscheinen.<br />
Roland Roth, Professor an der FH Magdeburg,<br />
ist einer der Sprecher des Komitees für Grundrechte<br />
und Demokratie e.V.<br />
Anmerkung<br />
1<br />
Bericht von der Jahrestagung des Komitees<br />
für Grundrechte und Demokratie in Kooperation<br />
mit der Evangelischen Akademie Arnoldshain<br />
vom 18. bis 20. September 1998.<br />
FORSCHUNGSBERICHT<br />
Zukunft ohne Beruf<br />
12 Argumente für eine neue<br />
Beschäftigungsgesellschaft 1<br />
Liegt die Zukunft der Arbeit nicht nur im Beruf?<br />
Kann man weiter Arbeit, Einkommen und<br />
Lebenssinn nur an die Erwerbsarbeit und das<br />
Erwerbseinkommen binden?<br />
1<br />
Die Wirtschaft wird auch in Zukunft mehr Arbeitsplätze<br />
abbauen als neue schaffen. Das Ziel<br />
der Vollbeschäftigung im Erwerbssektor kann<br />
für die absehbare Zukunft nicht mehr mit ausreichender<br />
Erfüllungswahrscheinlichkeit aufrechterhalten<br />
werden. Eine hohe Arbeitslosigkeit,<br />
für viele auch keine volle Einkommenssicherung<br />
aus Erwerbsarbeit mehr - man denke<br />
nur an die zunehmenden Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />
- und kein gewohntes Arbeitsverhältnis<br />
über 30 oder 40 Berufsjahre mehr, d.h., es<br />
muß alles getan werden, um den Bürgern ergänzende<br />
Optionen zur Erwerbsarbeit, zum Erwerbseinkommen<br />
und zum Lebenssinn aus Berufstätigkeit<br />
zu erschließen. Arbeitslosigkeit<br />
kann man nur mit zwei Angriffsfronten besiegen:<br />
Neue Erwerbsarbeitsplätze gewinnen sowie<br />
Arbeiten und Einkommen ergänzend zur<br />
Erwerbsarbeit aufbauen.