Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
PROTEST UND GEWALT<br />
Zuwachs vermehrter Handlungsmöglichkeiten<br />
auf der einen Seite und gleichzeitig einsetzenden<br />
Gefährdungslagen und Risiken durch den<br />
Zwang zu einer Bewältigung von immer komplexeren<br />
Lebensaufgaben ohne den Rückhalt<br />
stabiler Vergemeinschaftungsformen" (Heitmeyer<br />
et al. 1995: 50). Die Möglichkeitsbedingung<br />
von Gewaltbereitschaft wird somit in<br />
Modernisierungsfolgen gesehen, die die Gesellschaft<br />
insgesamt betreffen und sich vor allem<br />
„als Verlust von Zugehörigkeit, Teilnahmechancen<br />
oder Ubereinstimmung" (Heitmeyer<br />
1995: 60), also als Exklusionserfahrung äußern.<br />
„Je größer die Unübersichtlichkeit, um<br />
so wahrscheinlicher wird Gewalt, wenn sich<br />
der Zusammenhang von Zugehörigkeit und sozialer<br />
Kontrolle in sozialen Milieus auflöst,<br />
Inkonsistenzen auftreten und Identitätsmuster<br />
hervorgebracht werden, die zum Teil mit hohem<br />
Anomiegehalt verbunden sind und zur Klärung<br />
drängen" (Heitmeyer 1995: 72). Ob und<br />
wie es dann tatsächlich zur Gewalttätigkeit<br />
kommt, hängt freilich von milieuspezifischen<br />
Sozialisationsbedingungen ab, etwa wenn Ge<br />
HAUPTBEITRÄGE<br />
walt schon in der Familie als effektives Handlungsmodell<br />
erfahren wird; sie ist also nicht<br />
automatisch vorgegeben. Doch machen Heitmeyers<br />
Studien durchweg deutlich, daß ein<br />
nicht-kontingenter Zusammenhang zwischen<br />
Gesellschaftsstruktur, Milieuzugehörigkeit und<br />
Gewaltbereitschaft besteht, was auch durch andere<br />
Arbeiten zum Problemfeld rechtsextrem<br />
motivierter Gewalt Bestätigung findet.<br />
So wurde für die Anfang der 90er Jahre aufkeimende<br />
neue soziale Bewegung von rechts 3<br />
anhand der Täterprofile von Delinquenten<br />
rechtsextremer Straftaten festgestellt, daß ihr<br />
eine eigene Subkultur, ja ein „rechtsextremes<br />
Milieu" (Bergmann/Erb 1994: 81) zugrunde<br />
lag - mit einer „Dominanz im Arbeiter- und<br />
Kleinbürgermilieu" (Willems et al. 1993: 259).<br />
Heitmeyer führt sogar das gesamte soziokulturelle<br />
Milieu der Arbeiterschaft ins Feld, um<br />
die soziale Basis der Gewalttäter zu verorten.<br />
Im einzelnen handelte es sich überwiegend um<br />
jüngere, männliche Jugendliche mit niedrigen<br />
Bildungsabschlüssen: Über 70% waren jünger