Vollversion (5.41 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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FORSCHUNGSJOURNAL NSB, JG. 11, HEFT 4, 1998 • • • B l<br />
Eine Sozialpsychoiogie<br />
des Protests<br />
Fürdie Bewegungsforschung ist der (sozial-)psychologische<br />
Blick auf soziale <strong>Bewegungen</strong><br />
längst unverzichtbar geworden. Im Gegensatz<br />
zum soziologischen Zugang über bspw. Bewegungsorganisationen,<br />
das multiorganisationale<br />
Feld, in dessen Grenzen Mobilisierung sich<br />
vollzieht, politischeGelegenheitsstrukturen oder<br />
über soziale und kulturelle Gegensätze (cleavages)<br />
ist aus sozialpsychologischer Perspektive<br />
vor allem die individuelle Wahrnehmung solcher<br />
Einflußgrößen, die auf der Grundlage dieser<br />
Wahrnehmung erfolgende soziale Konstruktion<br />
geteilter Uberzeugungen sowie deren Umsetzung<br />
in soziales Handeln in der bewegungsspezifischen<br />
Form des Protests von Interesse.<br />
Aus diesem Blickwinkel fällt ein anderes Licht<br />
auf die Frage, wann Mobilisierung Erfolgsaussichten<br />
hat und wann eher nicht. Die individuelle<br />
Analyseebene öffnet den Blick auf soziale<br />
<strong>Bewegungen</strong> als Kollektive (inter)agierender<br />
Individuen. Hier sind Prozesse der Konstruktion<br />
und Rekonstruktion kollektiver Überzeugungen<br />
(collective beliefs) anzusiedeln (5). Von<br />
grundlegender Bedeutung ist hierbei die soziale<br />
oder kollektive Identität, die eine Bewegung<br />
auszeichnet, d.h. die Art und das Ausmaß, in<br />
dem sich Individuen selbst als Mitglieder einer<br />
Bewegung definieren bzw. mit dieser identifizieren.<br />
Der Autor fokussiert allerdings eher Fragen der<br />
individuellen Kosten-Nutzen-Kalkulation: Warum<br />
nehmen Individuen überhaupt an sozialen<br />
<strong>Bewegungen</strong> teil? Das naheliegende Ergebnis<br />
einer individuellen, rationalen Abwägung von<br />
Kosten und Nutzen der Teilnahme und des Engagements<br />
wäre - zur Vermeidung von Unbequemlichkeiten<br />
und Risiken - eher die Nichtteilnahme<br />
und die kostenfreie Teilhabe an Bewegungserfolgen,<br />
für die man sich selbst nicht<br />
einsetzen muß (free riding). Anders gefragt:<br />
LITERATUR<br />
Unter welchen Bedingungen wird Unzufriedenheit<br />
in kollektives Handeln transformiert?<br />
Aus sozialpsychologischer Sicht wird deutlich,<br />
daß es weniger (vermeintlich) objektive Strukturdaten<br />
sind, die Unzufriedenheit schüren, als<br />
daß es vielmehr deren individuelle und schließlich<br />
kollektiv geteilte Wahrnehmung ist, die zu<br />
Mobilisierung führt.<br />
Bezüglich der Dynamiken der Bewegungspartizipation<br />
stellen sich weitere Fragen: Warum<br />
engagieren sich einige Bewegungsteilnehmer,<br />
während andere in offensichtlich vergleichbaren<br />
Situationen dies nicht tun? Warum ziehen<br />
Individuen bestimmte Formen des Protests vor,<br />
die andere ablehnen? Wamm engagieren sie<br />
sich unter Bedingungen erhöhten Risikos fortgesetzt,<br />
während andere ihr Engagement einstellen?<br />
(6f)<br />
Hiermit ist der Rahmen des vorliegenden Bandes<br />
von Bert Klandermans - Professor der Angewandten<br />
Sozialpsychologie an der FU Amsterdam<br />
- skizziert. Dabei versteht es der Autor,<br />
Befunde und Erfahrungen aus vielfältigen internationalen<br />
wie auch interdisziplinären Forschungsprojekten<br />
in seinen sozialpsychologischen<br />
Betrachtungen zusammenzuführen. Die<br />
illustrierenden Beispiele reichen von sozialen<br />
<strong>Bewegungen</strong> in Südafrika über die Frauenbewegung,<br />
die Arbeiter- und die Friedensbewegung<br />
bis hin zu rechtsextremistischen Gruppierungen.<br />
Der Autor liefert einen Überblick über die Entwicklung<br />
sozialer <strong>Bewegungen</strong> auf der empirischen<br />
Grundlage aktueller Studien zur Mobilisierung<br />
von und zur Partizipation in sozialen<br />
<strong>Bewegungen</strong>.<br />
Exemplarisch sei hier auf das erste Kapitel des<br />
Bandes näher eingegangen, das sich mit Prinzipien<br />
der Bewegungspartizipation beschäftigt<br />
(14ff). Auf der Grundlage oben skizzierter Kernfragen<br />
widmet sich der Autor der Konstruktion<br />
kollektiver Handlungsrahmen (collective action<br />
frames). Bezugnehmend auf Gamson, der drei<br />
Komponenten kollektiver Handlungsrahmen