16.11.2013 Aufrufe

Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kongreßberichte 877<br />

Frauen-Ges<strong>und</strong>heit, physische <strong>und</strong> psychische Aspekte <strong>und</strong> deren Folgen<br />

Internationales Fortbildungs- <strong>und</strong> Arbeitsseminar <strong>für</strong> Frauen, Salzburg 4.-9. Juli 1982<br />

Das <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Studien in Salzburg hatte amerikanische, skandinavische <strong>und</strong> österreichische<br />

Expertinnen eingeladen. Als Gäste kamen etwa 90 Frauen aus 11 europäischen<br />

Ländern (die größte Gruppe aus der BRD), Medienfrauen, Sozialwissenschaftlerinnen,<br />

Gewerkschafterinnen - nicht einmal eine Handvoll Medizinerinnen. Folgende Schwerpunkte<br />

lassen sich skizzieren: die ges<strong>und</strong>heitliche Situation von Frauen, ihre Stellung im<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen, das Verhältnis zu den medizinischen Professionen, physische <strong>und</strong><br />

psychische Erkrankungen von Frauen <strong>und</strong> ihr gesellschaftlicher Hintergr<strong>und</strong>, Arbeitsbedingungen<br />

von Arbeiterinnen <strong>und</strong> weiblichen Angestellten, insbesondere die Bedeutung<br />

moderner Technologien <strong>für</strong> Frauenarbeitsplätze.<br />

Johanna Dohnal, Staatssekretärin <strong>für</strong> Frauenfragen im österreichischen B<strong>und</strong>eskanzleramt,<br />

berichtete über eine von ihr initiierte Enquete »Macht Frau-sein krank?« Der<br />

Bericht, an dem Frauen aus allen österreichischen Frauenorganisationen mitgewirkt haben,<br />

kommt zu dem Ergebnis, daß der Ges<strong>und</strong>heitszustand von Frauen schlechter ist als<br />

der von Männern; daß ein Drittel der Frauen dauernd Medikamente einnimmt, um ihre<br />

Aufgaben bewältigen zu können. Obwohl Frauen den größten Anteil der Benutzer wie<br />

der Beschäftigten im Ges<strong>und</strong>heitswesen stellen, kommen ihre Interessen in den <strong>Institut</strong>ionen<br />

des Ges<strong>und</strong>heitssystems kaum vor, ein Zustand, der mit Unterversorgung, Wartezeiten,<br />

mangelnder Transparenz der <strong>Institut</strong>ionen, fehlender Mitsprachemöglichkeit,<br />

geringer Zahl weiblicher Ärzte etc. umschrieben wurde. Dohnal beschrieb auch einige<br />

historische Stationen von Frauen in der Medizin, markiert durch die Verketzerung von<br />

Frauen mit medizinischen <strong>und</strong> geburtshilflichen Fähigkeiten als Hexen, Zurückdrängen<br />

der Frauen aus den Ges<strong>und</strong>heitsberufen auf Hilfstätigkeiten. Ges<strong>und</strong>heitliche Verbesserungen<br />

setzen Veränderungen des medizinischen Systems voraus, vorgeschlagen wurden<br />

u.a.: Erforschung psychosomatischer Erkrankungen, Verbesserung der psychiatrischen<br />

Versorgung, Förderung von Frauenges<strong>und</strong>heitsforschung, mehr weibliche (Fach-)Ärzte,<br />

Unterstützung von Selbsthilfegruppen. Politische Forderungen, konservative wie feministische,<br />

seien sowohl historisch wie auch im arbeitsmarktpolitischen Kontext auf frauenfeindliche<br />

Inhalte hin zu untersuchen (z.B. Mutterschutzgesetz). Dementsprechend<br />

wird momentan in Österreich eine »Prüfliste auf Frauenfre<strong>und</strong>lichkeit« <strong>für</strong> geltende <strong>und</strong><br />

künftige Gesetze erarbeitet. Die Schwierigkeiten <strong>für</strong> Frauen, ihre persönliche <strong>und</strong> berufliche<br />

Identität zu entwickeln <strong>und</strong> zu behaupten (nachdem alte Rollenmuster nicht mehr<br />

allgemein akzeptiert werden, neue Rollenbilder noch nicht entwickelt sind), illustrierten<br />

mit jeweils anderen Akzenten Phyllis Chesler <strong>und</strong> Rachel Hare-Mustin. Eher assoziativ<br />

beschrieb Chesler am Beispiel der Pornographie, die uns zum alltäglichen Wegsehenmüssen,<br />

zu einer Übung in Selbstverleugnung zwinge, daß die sexuelle Liberalisierung<br />

<strong>für</strong> Frauen ambivalent sei <strong>und</strong> negative Konsequenzen <strong>für</strong> die eigene Sexualität habe.<br />

Ebenfalls nicht ganz neu war Hare-Mustins Hinweis auf den zusätzlichen Streß, den berufstätige<br />

Frauen durch Haushalt <strong>und</strong> Familie erfahren, am höchsten sei er bei Kellnerinnen<br />

<strong>und</strong> Sekretärinnen.<br />

Im dritten Themenkomplex ging es um neue Bürotechnologie <strong>und</strong> Akkordarbeit. Michaela<br />

Moritz von der Gewerkschaft der Privatangestellten verglich die Entwicklung im<br />

Dienstleistungsbereich mit der Taylorisierung der Produktion. Bei der Datenerfassung<br />

am Bildschirm ebenso wie bei der automatisierten Textverarbeitung handele es sich um<br />

Frauenarbeitsplätze mit geringen Qualifikationsanforderungen <strong>und</strong> Monotonie. Nach<br />

Untersuchungen der Gewerkschaft rufe Bildschirmarbeit andere Beschwerden hervor als<br />

konventionelle Bürotätigkeiten. Zwangshaltungen <strong>und</strong> statische Muskelbelastungen<br />

führten zu Rücken-, Schulter- <strong>und</strong> Kopfschmerzen sowie Augenbeschwerden. Insgesamt<br />

gebe es eine Zunahme von Befindensstörungen <strong>und</strong> nicht zuletzt Angst vor Arbeitsplatzverlust.<br />

Ähnliches referierte Gunilla Bradlay aus schwedischen Studien. Zur<br />

DAS ARGUMENT 136/1982 es

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!