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Arbeitsteilung und Ideologie - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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870 Kongreßberichte<br />

ke (Frankfurt/Main), Gang! (München) <strong>und</strong> Bonss (München) über die Anfänge des <strong>Institut</strong>s<br />

<strong>für</strong> Sozialforschung dokumentierten. Die Psychoanalyse war vertreten durch Le<br />

Rider (Paris), der die auf den ersten Blick provokatorische These vertrat, die Psychoanalyse<br />

hätte im Deutschland der Weimarer Zeit nicht wirklich Fuß fassen können. Die letzten<br />

fünf Beiträge beschäftigten sich mit Benjamin, was das in Frankreich wachsende Interesse<br />

<strong>für</strong> diesen Autor bezeugt. Burkhardt Lindner (Frankfurt/Main) ging auf Benjamins<br />

Begriff des positiven Barbarentums ein, der ohne die Verdinglichungstheorie von<br />

Georg Lukacs nicht zu verstehen sei, <strong>und</strong> der sich in einen revolutionären kunsttheoretischen<br />

»Diskurs« einfügen lasse, zu dem Lindner auch Kracauer, Bloch, Eisler <strong>und</strong><br />

Brecht rechnete. In meinem eigenen Beitrag versuchte ich, ausgehend von Benjamins widersprüchlichen<br />

Äußerungen zur Avantgarde, seinem Begriff der Urgeschichte der Moderne<br />

näher zu kommen <strong>und</strong> zu zeigen, daß sein Verfahren offensichtliche Ähnlichkeiten<br />

mit Foucaults »Archäologie« aufweist. Josef Fürnkäs (Paris) untersuchte den Begriff<br />

des Denkbildes anhand der »Einbahnstraße« <strong>und</strong> kam zu dem Schluß, daß letztere<br />

zwangsläufig in die Pariser Passagen mündete. Uwe Opolka (Tübingen) ging dem Begriffspaar<br />

Gleichheit/Ähnlichkeit nach <strong>und</strong> zeigte, daß sich die Moderne herausbildet,<br />

wenn die Gleichheit an die Stelle der Ähnlichkeit tritt. (Dies wäre vielleicht eine weitere<br />

Übereinstimmung zwischen Benjamin <strong>und</strong> Foucault, der auf die Ersetzung der Suche<br />

nach Ähnlichkeiten [similitudes] durch die nach Gleichheiten <strong>und</strong> Unterschieden<br />

[identites et differences] im Zeitalter der Vernunft aufmerksam macht.) Zuletzt hielt Karol<br />

Sauerland (Warschau) einen kurzen Vortrag über Benjamins Anarchismus, aus dem<br />

einiges über die aktuelle Situation in Polen hervorkam. - Die Diskussionen waren mitunter<br />

heftig <strong>und</strong> mußten leider zu oft aus Zeitmangel abgebrochen werden. Raulet zog<br />

eine vorläufige Bilanz: das Kolloquium habe einen ersten Beitrag zu einer »Urgeschichte<br />

der Postmoderne« geleistet. Die Akten des Kolloquiums erscheinen 1983 in französischer<br />

Sprache.<br />

Mare Sagnol (Paris)<br />

Passagen<br />

Kolloquium zum 90. Geburtstag Walter Benjamins <strong>und</strong> zu dem Erscheinen des Passagen-Werks,<br />

Frankfurt am Main, 1.-3. Juli 1982<br />

Die Pariser Passagen waren mehr ein (markt bedingter) Anlaß <strong>und</strong> ein lockendes Motto<br />

als der Forschungsgegenstand des Frankfurter Benjamin-Kolloquiums. Sieht man von<br />

den Vorträgen Tiedemanns, der seine Einleitung in das nun erschienene Passagen-Werk<br />

vorlas <strong>und</strong> auf dieses Fragment gebliebene Buch den Satz von Benjamin bezog, daß<br />

»aus den Trümmern großer Bauten die Idee von ihrem Bauplan eindrucksvoller spricht<br />

als aus geringen noch so wohl erhaltenen«, <strong>und</strong> Burkhardt Lindners ab, der die Geschichte<br />

dieses Trümmerhaufens nachzeichnete <strong>und</strong> in seinem Kommentar die Berührungspunkte<br />

zwischen Benjamins Faszination <strong>und</strong> Fouriers Utopie einer Passagenstadt<br />

aus »rues-galeries« hervorhob, war in diesen zwei Tagen von den Passagen wenig die Rede.<br />

Beide Redner unterstrichen die Bedeutung, die das Fetisch-Kapitel von Marx <strong>und</strong><br />

dessen Lukacs'sche Interpretation <strong>für</strong> die späte Konzeption dieses Werkes einnahmen.<br />

Einige Beiträge waren aber durchaus fehl am Platz, wie z.B. Schweppenhäusers st<strong>und</strong>enlange<br />

esoterische Ausführungen oder auch Unseids Grabrede auf Scholem, ganz zu<br />

schweigen von Alfred Schmidts unqualifizierbarem Verhalten als »Diskussionsleiter«.<br />

Aus Berkeley war Leo Löwenthal nach Frankfurt gekommen, der auf eindrucksvolle<br />

Weise über seine Beziehungen zu Benjamin <strong>und</strong> ihre gemeinsamen Interessen <strong>und</strong><br />

Schicksale (so z.B., daß beide in Frankfurt an der Habilitation scheiterten) sprach <strong>und</strong><br />

die »Integrität« Benjamins sO\vie auch seine »Urbanität« rühmte. Er versicherte, daß er<br />

1938 in New York darauf bestand, die erste Baudelaire-Arbeit zu drucken, die Adorno<br />

<strong>und</strong> Horkheimer schließlich ablehnten. Von allen Rednern hat zweifellos Löwenthal, der<br />

vor unzähligen Zuhörern sprach, den größten Erfolg gehabt.

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